Straßburg Der Papst sucht Europas gute Seele

Straßburg · In seiner Rede vor dem EU-Parlament mahnte Franziskus mehr Einsatz für Alte, Junge und Flüchtlinge an. Noch bestehe Hoffnung für den Kontinent.

Die wichtigsten Aussagen des Papstes zu Europa
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Die wichtigsten Aussagen des Papstes zu Europa

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Foto: ap, AJM AG

Martin Schulz, nach eigenem Bekunden nicht der religiöseste Mensch, ist beseelt. Bescheiden, weich, sanft sei dieser Mensch, heißt es nach der privaten Unterredung mit Papst Franziskus aus dem Umfeld des Präsidenten des Europaparlaments. Solche Attribute sind im harten politischen Geschäft oft eher hinderlich. Beim Papst faszinieren sie. Selbst die spanischen Kommunisten im Europaparlament können sich ihm nicht entziehen. Sie hatten zuvor angekündigt, den Saal zu verlassen, wenn der Pontifex im Straßburger Plenarsaal auftrete. Doch sie bleiben. Protestaktionen bleiben aus, die meisten lauschen gebannt der Rede des Papstes.

"Papst Franziskus ist eine Persönlichkeit, die Orientierung gibt in Zeiten der Orientierungslosigkeit", hat Martin Schulz zuvor zur Begrüßung gesagt. Übersetzt werden muss dem Papst dieses Lob nicht.

Schon am Straßburger Flughafen hat Franziskus Deutsch gesprochen - mit Kardinal Reinhard Marx, der derzeit nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Bischofskonferenz vorsteht.

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Gelernt hat der oberste Repräsentant der Katholiken die Sprache am Küchentisch von Helma Schmidt. Die heute 97-Jährige war 1985 am Goethe-Institut von Boppard in Rheinland-Pfalz tätig, als ein argentinischer Priester namens Jorge Mario Bergoglio dort einen Deutschkursus besuchte. Der Unterricht ging in Schmidts Wohnung weiter, wo der heutige Papst zwei Monate lang wohnte. Zum Wiedersehen in Straßburg umarmt er sie freudig.

Doch im Mittelpunkt des Besuchs steht natürlich seine Rede vor dem Parlament. "Der Papst", wird Schulz später sagen, "hat uns einiges ins Stammbuch geschrieben." Thema der Ansprache ist der Verlust der Menschenwürde, wenn die individualisierte Gesellschaft sich nicht mehr ausreichend um ihre schwächsten Mitglieder kümmert. Dies sei "eine der Krankheiten, die ich in Europa am meisten verbreitet sehe", sagt Franziskus.

Die EU-Flüchtlingspolitik ist ihm ein besonderer Dorn im Auge. Er kritisiert "das Fehlen gegenseitiger Unterstützung", was als eindeutiger Seitenhieb auf das sogenannte Dublin-System verstanden wurde, das Abschiebungen in jene EU-Staaten ermöglicht, in dem ein Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt.

Papst Franziskus tröstet einen Kranken
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Franziskus liest Europa jedoch nicht nur die Leviten - er will dem "Bild eines etwas gealterten und erdrückten Europa" auch eine "Botschaft der Hoffnung" entgegensetzen. Die Europaabgeordneten sollten etwa "daran arbeiten, dass Europa seine gute Seele wiederentdeckt". Und der Papst buchstabiert ganz konkret aus, was er darunter versteht: "Die Stunde ist gekommen, gemeinsam das Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern um die Heiligkeit der menschlichen Person."

(RP)
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