EU setzt in Flüchtlingskrise auf die Türkei Erdogan verlangt für Hilfe eine Gegenleistung

Brüssel · An diesem Montag verhandelt Brüssel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Flüchtlingskrise. Brüssel bedrängt die Türkei, ihre Außengrenzen dichtzuhalten. Doch Erdogan kommt mit Forderungen im Gepäck. Die Grünen warnen vor einem schmutzigen Deal.

Der türkische Präsident Erdogan mit seiner Frau Emine bei der Ankunft in Brüssel.

Der türkische Präsident Erdogan mit seiner Frau Emine bei der Ankunft in Brüssel.

Foto: ap

Die Türkei entpuppt sich als Hoffnungsträger in der Flüchtlingskrise. Sie soll helfen, den Strom der Migranten über die Balkan-Route einzudämmen, möglichst viele syrische Flüchtlinge sollen in der Türkei bleiben, nahe der syrischen Heimat. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen daher die Flüchtlingspolitik und der Schutz der Grenzen.

Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sieht ein Aktionsplan den Bau von sechs neuen Flüchtlingslagern auf türkischem Boden vor. Die EU verpflichtet sich demnach im Gegenzug, bis zu eine halbe Million Flüchtlinge nach Europa zu holen. Darüber hinaus soll es gemeinsame Patrouillen der türkischen und griechischen Küstenwache geben.

Die Türkei bekommt die Auswirkungen des Syrienkrieges schon seit fünf Jahren zu spüren. Schon heute leben dort etwa zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Ankara hat sich in der Vergangenheit mehrfach beklagt, allein gelassen worden zu sein. Entsprechend birgt der Besuch von Staatschef Erdogan in Brüssel Konfliktstoff.

Deutsche EU-Politiker forderten die Türkei im Vorfeld zu einer besseren Sicherung ihrer Grenzen auf. Er erwarte von der Türkei "eine vorbildliche Flüchtlingspolitik und eine wirksame Kontrolle der Außengrenze", sagte der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), der Zeitung "Die Welt". Im Gegenzug sollte Ankara dabei unterstützt werden, im Grenzgebiet zu Syrien Flüchtlinge aufzunehmen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), sagte dem Blatt, Erdogan müsse "als Verbündeter Wert darauf legen, dass er die Grenzen wieder schließt". Dabei habe die Türkei auch Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch die EU.

Solche Ansprüche sind in den Ohren der Türken vermutlich fehl am Platze. Gar nicht gut kamen Überlegungen an, der Türkei Flüchtlingshilfen aus einem Topf zu finanzieren, der eigentlich für Fördermittel für den türkischen EU-Beitritt vorgesehen war. Das Land ist in einer starken Verhandlungsposition, weil Europa auf seine Unterstützung angewiesen ist. Was passiert, wenn Erdogan die Grenzkontrollen aufgibt, mag sich in Europa niemand ernsthaft ausmalen.

Aus reiner Freundlichkeit wird die Türkei den Brüsseler Wünschen ohnehin nicht nachkommen. Die Gelegenheit ist für Ankara günstig, nun im Austausch mit Brüssel eigene Forderungen einzubringen. So verlangt die türkische Regierung eine zügige Liberalisierung der Einreise, bisher benötigen Türken ein Visa-Verfahren. Nach Ansicht der EU-Kommission erfüllt das Land dafür aber noch nicht die Voraussetzungen. "Es gibt Maßstäbe, die erst einmal erfüllt werden müssen", sagte eine Kommissionssprecherin.

Bei den Gesprächen wird es auch ums Geld gehen. Die EU will die Türkei, die bereits so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, finanziell unterstützen. Der EU-Gipfel hat in der vergangenen Woche beschlossen, dass die Türkei bis zum nächsten Jahr eine Milliarde Euro für die Flüchtlingslager bekommen soll. Ob die Türkei dieses Geld und die damit verbundenen Bedingungen akzeptiert, soll laut EU-Kommission am Montag besprochen werden. Ankara muss dem zustimmen, bislang gab es noch keine definitive Antwort.

Thema wird auch die Grenzsicherung zwischen der Türkei und den EU-Staaten Griechenland und Bulgarien sein. Die EU ist daran interessiert, dass die Türkei diese Grenzen besser absichert und Flüchtlinge integriert, damit sie gar nicht erst weiter nach Europa reisen. Schulz kündigte an, auch über die Pressefreiheit und die innenpolitische Lage in der Türkei mit Erdogan zu reden.

Die Grünen warnten am Montag vorsorglich davor, den Flüchtlingsstrom durch einen "schmutzigen Deal" mit der Türkei begrenzen zu wollen. Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter lehnt eine Übereinkunft ab, wenn sie nach dem Muster läuft: "Erdogan nimmt einen Großteil der Flüchtlinge, und dafür drücken wir zum Ausgleich beide Augen zu, wenn dort die Menschenrechte zum Beispiel der Kurden in der Türkei verletzt werden". Denn dadurch würden neue Fluchtursachen geschaffen, sagte Hofreiter im ARD-"Morgenmagazin".

(dpa AFP)
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