Weidmann und sein angeblicher Rücktrittsgedanke Rösler lässt Bundesbank allein

Berlin · Weil er gegen Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank ist, dachte Bundesbankchef Weidmann angeblich an Rücktritt. Im Streit mit EZB-Präsident Draghi kündigt ihm auch noch der Wirtschaftsminister die Solidarität auf.

Merkels Mann für die Bundesbank
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Jens Weidmann hat es nicht leicht in diesen Tagen: Gegen die geballte Mehrheit der übrigen Notenbankgouverneure im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) führt der Bundesbankpräsident einen einsamen Kampf gegen neue Staatsanleihekäufe der Notenbank. Weidmann hält das von EZB-Präsident Mario Draghi bereits Anfang August skizzierte Vorhaben für unvereinbar mit dem Mandat der EZB, die Geldwertstabilität im Euro-Raum zu wahren. Doch nun springt ausgerechnet auch noch der Bundeswirtschaftsminister nicht etwa Weidmann, sondern Draghi zur Seite: Auf die Frage, wo er im Streit zwischen Weidmann und Draghi über die Anleihekäufe stehe, sagte Philipp Rösler (FDP) der "Berliner Zeitung": "Sie (die EZB, d. Red.) beschränkt sich auf ihr Mandat, die Geldwertstabilität zu sichern."

Rösler widersprach damit dem wichtigsten Argument Weidmanns gegen die Wiederaufnahme der im März gestoppten Anleihekäufe. Es sei nicht Aufgabe der EZB, überschuldete Krisenländer zu stützen, ihnen damit den Reformdruck zu nehmen und noch dazu die Inflationsgefahr zu schüren, argumentiert der Bundesbankpräsident.

Doch aus Sicht Draghis und der Mehrheit im EZB-Rat wiegen diese Argumente weniger als die Gefahr des Zusammenbruchs der Euro-Zone: Die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten, hatte Draghi vor wenigen Wochen angekündigt — und damit auf den Anleihemärkten für Entspannung gesorgt. Die hohen Renditen spanischer und italienischer Anleihen sanken seither.

Weidmann, der 44-jährige frühere Wirtschaftsberater von Angela Merkels, ist damit nicht nur im EZB-Rat isoliert, sondern auch auf der politischen Bühne. Laut "Bild" soll er in den vergangenen Wochen mehrfach an Rücktritt gedacht haben, die Kanzlerin habe ihn jedoch zum Bleiben überredet. Auch Weidmanns Vorgänger Axel Weber und der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark waren schon zurückgetreten, weil sie die Anleihekäufe ablehnten.

In Weidmanns Umfeld wurden Rücktrittsgedanken allerdings nicht bestätigt. "Derlei Gespräche fanden nicht statt. Weidmann ist auch kein Typ für einen Rücktritt", hieß es in hochrangigen Bundesbankkreisen. Noch Anfang der Woche hatte Weidmann dem "Spiegel" gesagt, er könne seiner Aufgabe am besten gerecht werden, wenn er im Amt bleibe. Auch in Berliner Regierungskreisen gab es keine Bestätigung. Dennoch kam von der Kanzlerin erneut eine Art aufmunterndes Schulterklopfen für Weidmann. "Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkt Jens Weidmann als unserem Bundesbanker den Rücken, dass er möglichst viel Einfluss innerhalb der EZB hat", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Ähnlich hatte es Merkel selbst am vergangenen Sonntag formuliert.

Entschieden wird im EZB-Rat am kommenden Donnerstag. Voraussetzung dafür, dass die EZB Anleihen bedrohter Länder aufkaufe, werde sein, dass diese zuvor einen Hilfsantrag bei den Euro-Rettungsfonds stellten, hatte Draghi bereits erläutert. Die EZB will damit sicherstellen, dass die Länder weiter Reformen durchführen und sich nicht auf die EZB-Hilfe verlassen.

Der Bundesregierung kommt dieser Ausweg aus der Krise gelegen: Er nimmt von ihr den Druck, weitere politische Schritte durchzusetzen. Nicht nur von Rösler, auch in der Union gibt es Zustimmung zu Draghis Plänen. "Draghi hat klargemacht, dass zuerst der Hilfsantrag da sein muss, bevor geholfen wird. Das halte ich für klug", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister. Überhaupt verhalte sich der EZB-Chef "extrem klug".

Gegen deutschen Willen soll die EZB auch bei der Bankenaufsicht stark an Einfluss gewinnen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will alle 6000 europäischen Geldhäuser künftig von der EZB überwachen lassen. Sparkassen und Volksbanken laufen bereits Sturm. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will nur die 25 größten europäischen Institute der EZB-Aufsicht unterstellen.

(mar)
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