Das Referendum in Griechenland Sag zum Abschied lauthals Ochi

Athen · Die Volksabstimmung hat die griechische Bevölkerung in zwei Lager gespalten. Leider löst sie nicht einmal die Probleme des Landes.

Griechen bejubeln "Nein" im Referendum
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Alexis Tsipras genoss die Aufmerksamkeit. Von seinen Anhängern ließ der griechische Ministerpräsident sich vor dem Wahllokal wie ein Popstar feiern. Im Scheinwerferlicht der TV-Kameras nahm er sich bei der Stimmabgabe demonstrativ viel Zeit, um den Wahlumschlag zuzukleben.

Die kurzfristige Ansetzung des Referendums hatte dem Regierungschef in anderen EU-Staaten viel Kritik eingebracht. Aber Tsipras sieht sich nicht als Quertreiber, sondern als Vorkämpfer eines neuen Europas. "Ich bin sicher, dass wir für alle Völker Europas einen neuen Weg öffnen werden", verkündete er auf einem Podest, das im Wahllokal aus Paletten errichtet worden war. Die Abstimmung über die Reform- und Sparvorschläge der internationalen Geldgeber war in seinen Augen ein "Festakt".

Fragen und Antworten zum Referendum in Griechenland
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Foto: dpa, dp jak

Viele Griechen konnten den Optimismus ihres Premiers nicht nachvollziehen. Sie befürchten, dass die von Tsipras vertretene Linie des "Ochi" (Nein) zu den Forderungen der Gläubiger das Land aus der Euro-Zone hinausführen und in ein Wirtschaftschaos stürzen wird. "Ich möchte nicht in die 60er und 70er Jahre zurückgeworfen werden", sagte eine Athener Rentnerin auf dem Weg ins Wahllokal.

"Ich wähle schweren Herzens", sagte der 42-jährige Vyron Balafas, der im Athener Stadtteil Ilioupolis zur Abstimmung ging. "Einerseits will ich die Zukunft meines Landes im Euro und in Europa sichern, andererseits erstickt der Sparkurs unser Land." Balafas wollte sich erst in der Wahlkabine entscheiden, wo er sein Kreuz macht: "Mein Verstand sagt Ja, mein Herz sagt Nein."

In Griechenland löste das Referendum eine Spaltung der Bevölkerung in zwei politische Lager aus. Die Teilung reichte zuweilen bis in die Familien hinein. "Kann ich dich vielleicht im letzten Moment noch dazu bewegen, doch mit Ja zu stimmen?", rief ein Athener seiner Gattin im Stimmlokal zu. "Ochi", war die prompte Antwort der Frau, die damit zugleich klarstellte, dass sie mit Nein votieren würde.

Bei der Abstimmung geriet ein wenig in Vergessenheit, dass das Referendum keinen Ausweg aus der dramatischen Krise des Landes weisen wird. In diesem Punkt waren sich auch die sonst so debattierfreudigen Kommentatoren der Fernsehsender einig. "Die Probleme des Landes werden dieselben bleiben", meinten sie vor Bekanntgabe des Ergebnisses unisono.

So geht es nach dem Referendum weiter
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Foto: dpa, nie axs

Seit einer Woche sind Griechenlands Banken nun schon geschlossen. Die Griechen können an den Geldautomaten von ihren Konten pro Tag nur 60 Euro abheben. Die Rentner müssen mit 120 Euro in der Woche auskommen. "Wann werden die Banken wieder öffnen?", fragen die Griechen sich besorgt.

Die von der Regierung verhängten Kapitalverkehrskontrollen haben bereits Auswirkungen in Teilen der Wirtschaft. Besonders betroffen ist der Tourismus, die wichtigste Stütze der Volkswirtschaft. Die Hoteliers beklagen einen drastischen Rückgang der Buchungen — vor allem aus dem Inland. "Man hat den Tourismus zerschmettert", meinte der Hotelbesitzer Dimitris Skalidis aus der Gegend um Nauplia auf der Peloponnes. "Es kommt kein Grieche mehr, weil alle sparen müssen."

Die Lebensmittelhersteller warnten, dass in den nächsten Tagen bestimmte Nahrungsmittel knapp werden könnten. Dies dürfte vor allem für Fleisch- und Milchprodukte gelten, die Griechenland größtenteils aus dem Ausland bezieht und die die Importeure wegen der Zahlungsbeschränkungen nicht mehr beschaffen können.

Riesiges Gedränge herrschte am Samstag daher auch in den Supermärkten. Die Menschen deckten sich aus Angst vor einer Eskalation der Bankenkrise mit Vorräten ein. Mehl, Reis, Nudeln und Hülsenfrüchte waren vielerorts ausverkauft. Auch die Regale mit haltbarer Milch und Konserven waren in vielen Geschäften leer. Selbst Toilettenpapier ging in den Supermärkten zur Neige.

Wie verzweifelt viele Menschen mittlerweile sind, konnte man am Freitag sehen: Fernsehbilder aus Thessaloniki zeigten einen älteren Mann, der weinend vor einer Bankfiliale auf dem Bürgersteig sitzt. Der 77-jährige Rentner Giorgos Chatzifotiadis wollte für seine kranke Frau wenigstens einen Teil ihrer Rente abheben. Bei drei Banken stand er jedoch vor verschlossenen Türen. Die vierte Filiale war zwar geöffnet, wies den Mann aber ab. "Da bin ich zusammengebrochen", sagte Chatzifodiadis der Nachrichtenagentur AFP.

(RP/dpa)
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