Ein spanischer Bürgermeister spielt Robin Hood Sánchez Gordillo will für die Armen kämpfen

Madrid · Sánchez Gordillo hat als Dorfbürgermeister des andalusischen Marinaleda seine kommunistische Utopie verwirklicht. Angesichts der Euro-Krise versuchte er sich nun als moderner Robin Hood und organisierte die Plünderung eines Supermarkts. Und auch Tage danach verteidigt er die Aktion.

Sánchez Gordillo – ein spanischer Bürgermeister protestiert
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Ist er ein moderner Robin Hood oder nur ein einfacher Ladendieb? Mit einem Megafon in der Hand hatte Juan Manuel Sánchez Gordillo die Plünderung eines Supermarkts in der südspanischen Stadt Ecija dirigiert. Die Anhänger des Kommunisten füllten mehrere Einkaufswagen mit Lebensmitteln, schufen sie — ohne zu zahlen — ins Freie und schenkten die Beute mittellosen Familien, die in einem besetzten Wohnblock leben.

Eine Hilfsorganisation, für die die Nahrungsmittel eigentlich gedacht waren, hatte es abgelehnt, gestohlene Güter anzunehmen. "Man muss etwas unternehmen, damit die Leute jeden Tag etwas zu essen bekommen", begründete Sánchez Gordillo die Protestaktion. Er wollte damit auch auf die Armut in dem — unter Krise und Massenarbeitslosigkeit leidenden — Land aufmerksam machen.

Und auch jetzt verteidigt er die Aktion noch. Er genießt zwar als Abgeordneter Immunität, doch wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wäre er nach eigener Aussage glücklich, wenn sie aufgehoben und er selbst inhaftiert werden würde.

Seit 33 Jahren Bürgermeister

Dies war keineswegs das erste Mal, dass der 60-Jährige mit dem Vollbart und dem Palästinensertuch für Schlagzeilen sorgte. Sánchez Gordilla steht seit 33 Jahren als Bürgermeister an der Spitze der Ortschaft Marinaleda. In der 2700-Seelen-Gemeinde in der Provinz Sevilla verwirklichte er seine kommunistische Utopie einer Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Wohnungsnot und ohne Hypotheken.

Nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) war er 1979 gleich bei den ersten freien Wahlen zum Bürgermeister des überwiegend von armen Landarbeitern bewohnten Dorfes gewählt worden. Unter seiner Führung besetzten Tagelöhner die Ländereien von Aristokraten und Bankiers unter dem Slogan "Das Land denen, die es bearbeiten!" 1991 hatten die Proteste Erfolg: Die Region Andalusien ließ das Landgut eines Herzogs enteignen und vermachte es der Gemeinde.

Die Bewohner von Marinaleda bewirtschaften es seither in Form einer Kooperative und schufen Betriebe zur Verarbeitung von Lebensmitteln. Während die Spanier in anderen Teilen des Landes unter der Last der Hypotheken stöhnten, errichteten die Dorfbewohner in Eigenarbeit selbst ihre Häuser. Die Straßen in der "kommunistischen Enklave", wie die "New York Times" das Dorf beschrieb, sind nach Persönlichkeiten der Linken wie Che Guevara, Salvador Allende oder Pablo Neruda benannt. Im Wappen des Dorfes steht: "Marinaleda - eine Utopie zum Frieden".

Seine Partei wenig erfreut über Aktion

Kritiker wenden allerdings ein, dass das Modell ohne staatliche Subventionen kaum bestehen könnte. Der Bürgermeister hält dem entgegen, dass die Adligen und andere Großgrundbesitzer von der EU ebenfalls Agrarsubventionen erhielten.

Mit der Plünderung des Supermarkts stieß Sánchez Gordillo in Spanien auf fast einhellige Ablehnung. "Ein Diebstahl ist nicht hinnehmbar, der Bürgermeister ist kein Robin Hood", meinte der Staatsanwalt Jesús López Médel. Innenminister Jorge Fernández Díaz ordnete gar eine Festnahme an, ließ es dann aber bei einer schriftlichen Vorladung zu einem Verhör bewenden.

Selbst die Vereinte Linke (IU), für die der frühere Geschichtslehrer im andalusischen Regionalparlament sitzt, war nicht begeistert von der Supermarkt-Aktion. Das Mehrparteienbündnis hatte Sánchez Gordillo erst kürzlich als einen Rebellen in den eigenen Reihen erlebt. Der Bürgermeister sträubte sich nach der Regionalwahl im März erbittert dagegen, dass die IU den Sozialisten zur Bildung einer Regierung in Andalusien verhalf.

(dpa/das/sap)
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