Italien hofft auf Eurobonds "Schnell, Frau Merkel"

Düsseldorf · Das neue Sorgenkind Europas heißt Italien. In einem Interview verteidigt Ministerpräsident Mario Monti sein Land. Es werde zu Unrecht als "lustig und undiszipliniert" angesehen. Italien zahle derzeit sogar doppelt für Europa – im Gegensatz zu Deutschland. Doch der Reformeifer in Rom ist längst erlahmt. Italien drängt stattdessen auf Euro-Bonds. Am Mittwoch erhöhten die Märkte den Druck.

 Bild mit Symbolkraft: Für Italiens Regierungschef Mario Monti wird es eng.

Bild mit Symbolkraft: Für Italiens Regierungschef Mario Monti wird es eng.

Foto: dapd, Mauro Scrobogna

Das neue Sorgenkind Europas heißt Italien. In einem Interview verteidigt Ministerpräsident Mario Monti sein Land. Es werde zu Unrecht als "lustig und undiszipliniert" angesehen. Italien zahle derzeit sogar doppelt für Europa — im Gegensatz zu Deutschland. Doch der Reformeifer in Rom ist längst erlahmt. Italien drängt stattdessen auf Euro-Bonds. Am Mittwoch erhöhten die Märkte den Druck.

 Der Titel der italienischen Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" am Dienstag ließ an Dringlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Der Titel der italienischen Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" am Dienstag ließ an Dringlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Foto: Ausriss

Italien treibt den Europäern tiefer Sorgenfalten auf die Stirn. Als drittgrößte Euro-Volkswirtschaft gilt es als entscheidender Dominostein in der Schuldenkrise gilt. Spätestens nachdem Österreichs Finanzministerin Maria Fekter ein Hilfsprogramm für Rom am Montagabend nicht ausschließen wollte, zittert Europa um ein Schwergewicht, das nach einhelliger Expertenmeinung zu groß für den Rettungsschirm wäre. Zwar nahm Fekter ihre Äußerungen zurück. Aber die Zweifel waren in der Welt.

Monti verteidigt seine Sparpolitik. Er sieht das Land auf einem guten Weg. So wie er es beschreibt hat es sich verändert. Weg vom lebensfrohen Bella Italia hin zu einer ernüchterten, ernsthaft arbeitenden Republik. "Italien ist ein Land, das ohne viel Lärm Verständnis für den notwendigen Wandel beweist. Das Land verändert sich," sagte Monti in einem umfassenden Interview dem ARD-Hörfunkstudio in Rom. Zum Beispiel sei eine weitreichende Rentenreform angenommen worden — bei gerade mal drei Stunden Streik.

"Nicht besonders lustig"

Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds benötigt das Land laut Monti nicht. Zwar habe das Land eine hohe Staatsverschuldung. Aber auf der anderen Seite sehr geringe Privatschulden - im Gegensatz zu anderen Ländern. Auch Unternehmen und Familien seien wenig verschuldet. In jedem Fall sei die Haushaltspolitik inzwischen eine andere. "Der Staatshaushalt wird dieses Jahr mit einer nur geringen Neuverschuldung abgeschlossen, mit 2 Prozent." Und im kommenden Jahr werde es einen Überschuss geben.

"Ich verstehe, dass man Italien durch seine Vergangenheit als lustiges, undiszipliniertes Land begreifen kann", räumte Monti ein. Aber momentan ist Italien disziplinierter, als viele andere europäische Länder - und es ist auch nicht besonders lustig. Aber es unternimmt die richtigen Dinge, um ein solides Land zu werden." Auch in Deutschland werde derzeit nicht gesehen, dass Italien im Prinzip doppelt zahle, sagte er: Einerseits die Anteile für die Rettung anderer kriselnder Euro-Staaten - andererseits aber auch höchste Zinsen für Staatsanleihen. "Grund dafür ist die angespannte Lage auf den Finanzmärkten."

Monti appelliert an Zusammenhalt

Deutschland hingegen zahle zwar einen wesentlich höheren Anteil für die Finanzhilfen, habe aber den großen Vorteil äußerst niedriger Zinsen für die Staatsschulden. "Diese sind praktisch spiegelverkehrt zu den sehr hohen Kosten für die Staatsschulden eines Landes, das, obwohl es jetzt eine solide Haushaltspolitik betreibt wie Deutschland, sehr hohe Zinsen zahlen muss. Das Land heißt Italien," sagte Monti.

Dass Monti sein Land stark redet, gehört zu seinem Aufgabenprofil als Ministerpräsident. Doch auch er kann eine gewissen Beunruhigung nicht verhehlen. Die Rendite auf italienischen Staatsanleihen war noch am Dienstag deutlich angezogen und lag zeitweise bei 6,30 Prozent. Auch am heutigen Mittwoch blieb der Druck der Märkte immens. Selbst kurzfristige Anleihen verteuerten sich. Bei einer Auktion von Papieren mit einer Laufzeit von zwölf Monaten verlangten Investoren Zinsen in Höhe von 3,972 Prozent. Im Mai waren es noch 2,34 Prozent gewesen.

Monti lässt der wachsende Druck der Märkte nicht unbeeindruckt. Er äußerte sich besorgt über die Notsituation". Zusammenhalt sei nötig, "um die kritische Lage zu überwinden".

Die Italiener spüren die Krise schon

Doch gerade daran hat es Italien in den jüngsten Wochen wieder gefehlt. Alte Gräben brechen auf, unlängst wurden Forderungen nach Neuwahlen laut. Der Konsens in der Bevölkerung schwindet, die große Koalition wirkt von Tag zu Tag unstabiler. Der Reformwille scheint gebremst. Noch höhere Steuern und weitere Sparrunden können sich die Wenigsten vorstellen.

Die meisten Italiener spüren schon den Ernst der Lage. In allen Bereichen geben die Italiener weniger aus als noch vor einem Jahr. Die Arbeitslosigkeit ist auf zehn Prozent gestiegen, unter Jugendlichen bis 25 Jahren ist sogar mehr als jeder Dritte (36 Prozent) ohne Job. Ob die Regierung das von Monti ausgerufene Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis 2013 erreichen wird, ist ungewiss. Auch dieses Dilemma treibt die Finanzinstitute und Ratingagenturen in ihrem Pessimismus an.

Italien wartet auf Euro-Bonds

Zuletzt musste Monti zunehmend Kompromisse eingehen, um Gesetze durch die beiden Parlamentskammern zu bringen. Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände setzten bei der kürzlich verabschiedeten Arbeitsmarktreform Änderungen durch. Zuvor hatten bereits Interessengruppen wie die der Taxifahrer und Rechtsanwälte verhindert, dass die Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt gelockert werden. "Der Reformwille der italienischen Politik ist offensichtlich bereits wieder deutlich erlahmt", stellt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen fest.

Stattdessen dreht sich die Debatte der italienischen Öffentlichkeit zunehmend um Hilfen von außen. Monti ist sich mit den meisten Experten in Italien einig, dass nur gemeinsame EU-Staatsanleihen, die sogenannten Euro-Bonds, den Niedergang und seine dramatischen Folgen stoppen könnten. Unlängst kritisierte Monti noch die deutsche Politik. Laut "Repubblica" sagte Monti, Merkel sei so hart wegen ihrer Wahlen 2013, doch Europa könne nicht darauf warten.

"Schnell, Frau Merkel"

Zugeständnisse erwarten die Italiener vor allem aus Deutschland. "Schnell, Frau Merkel", titelte die renommierte Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" am Dienstag. Es klang dringend. Der Titel erschien auf Deutsch.

Holger Sandte, Chefvolkswirt bei WestLB Mellon Asset Management, sieht Italien zwar als gefährdet an, ist aber davon überzeugt, dass das Land sich selbst helfen kann. Das Haushaltsdefizit von 3,9 Prozent sei relativ niedrig, die hohe Verschuldung sei unverändert. Aber den Domino-Effekt kann auch Sandte nicht ausschließen: "Die Diskussion ist entzündet worden durch Spaniens Lage. Wenn der ungünstigste anzunehmende Fall eintritt und Hilfe nötig wird, reden wir mindestens von großen dreistelligen Milliardenbeträgen."

Schäuble stützt Monti

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stärkte Monti in der Schuldenkrise derweil den Rücken. Schäuble sagte der italienischen Zeitung "La Stampa" vom Mittwoch, Italien müsse zwar die von Monti angeschobenen Reformen umsetzen, um nicht das nächste Land zu werden, dass von der Euro-Schuldenkrise angesteckt werde. Wenn das Land aber Montis Kurs folge, "wird es keine Risiken geben".

Auch Spanien sei auf dem richtigen Weg, sagte Schäuble. Das Land habe zwar Probleme mit seinem Bankensektor. Er sei sich aber sicher, dass Spanien diese Probleme löse.

(pst)
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