Empörung über Ökostrom-Abgabe Verbraucherschützer wollen gegen EEG-Reform klagen

Berlin · Die EU-Kommission hat die Rabatte für die energieintensive Industrie im Grundsatz abgesegnet. Doch der Erfolg von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geht zu Lasten Dritter: Die Verbraucherzentralen und die Solarwirtschaft wollen Klage einreichen.

Die wichtigsten Fakten zur Ökostrom-Reform
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Foto: dpa, ppl vfd

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) wollen wegen der EEG-Reform vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die geplante Ökostrom-Abgabe auf selbst erzeugten und verbrauchten Solarstrom verstoße womöglich gegen des Grundgesetz, erklärten die beiden Verbände am Mittwoch unter Verweis auf ein Rechtsgutachten der Berliner Kanzlei Geiser & von Oppen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) habe zum Ziel, den Ausbau von Ökostrom voranzutreiben und die Kosten auf die Produzenten "klima- und umweltgefährdenden Stroms" zu verteilen, erklärten die Verbände. Wer selbst Solarstrom erzeuge und verbrauche, handle im Sinne dieses Ziels, weshalb die geplante Abgabe auf solchen Strom als "unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit" gewertet werden könne, heißt es demnach in dem Gutachten.

Möglicherweise verstießen die Pläne außerdem gegen das Recht auf Gleichbehandlung, erklärten vzbv und BSW. Zur Begründung führten sie an, dass Industriebetriebe anders als kleine Unternehmen und Verbraucher weiterhin nur sehr wenig EEG-Umlage auf ihren selbst erzeugten und verbrauchten Strom zahlen müssen. Das gelte selbst dann, wenn diese Energie aus fossilen Quellen, etwa Kohle, stamme.

"Eine Abgabe auf umweltfreundlichen Solarstrom ist Unsinn", urteilte der Energieexperte des vzbv, Holger Krawinkel. Die Pläne der Bundesregierung "bremsen die Verbraucher aus, die zu einer umweltfreundlichen Stromerzeugung beitragen". Der BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig beklagte vor allem, dass weiterhin Ausnahmen für die Industrie gelten sollen - "wer mit Solarstrom die Umwelt entlastet, wird dagegen zur Kasse gebeten". Das gelte für kleine und mittelständische Unternehmen sowie große Privathaushalte.

In der EEG-Novelle, die am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossen wurde, ist vorgesehen, auf Strom aus neuen Anlagen für die Eigenversorgung künftig EEG-Umlage zu erheben. Dabei gibt es einen Rabatt von 50 Prozent für Ökostrom- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Für Betriebe des produzierenden Gewerbes gibt es 85 Prozent Rabatt unabhängig von der Energieart. Weiterhin befreit bleiben Anlagen, die bereits in Betrieb sind, sowie kleinere Anlagen, wie sie etwa auf Einfamilienhäusern installiert sind.

Die EU-Kommission segnete derweil die Industrierabatte für Abgaben auf Ökostrom in Deutschland und anderen europäischen Ländern am Mittwoch auch öffentlich ab. Die Behörde stellte am Mittwoch in Brüssel die neuen Leitlinien für Subventionen im Energie- und Umweltsektor vor. Es gebe die Möglichkeit, "für eine begrenzte Zahl energieintensiver Wirtschaftszweige" die Lasten aus der Förderung von Ökostrom zu verringern, teilte die Kommission mit.

Die Leitlinien sehen prinzipiell Befreiungen vor, wie sie in Deutschland bei der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits gewährt werden. Neu ist, dass Befreiungen künftig vor allem nach Branchenzugehörigkeit gewährt werden sollen. Die Liste der Branchen lag zunächst noch nicht vor. Die Kommission verwies unter anderen auf die Chemieindustrie, Papier- und Keramikhersteller. Die Befreiung von den Abgaben darf demnach nicht umfassend, sondern nur teilweise sein.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Dienstag eine Einigung mit der EU-Kommission bekanntgegeben. Demnach bleibt die Gesamtentlastung der deutschen Industrie von derzeit rund fünf Milliarden Euro im Jahr in etwa bestehen. Etwas unter 400 Firmen würden künftig keine Rabatte mehr erhalten.

Die EU-Leitlinien betreffen nicht nur die Industrierabatte, sondern zum Beispiel auch Staatshilfen für Kraftwerke, die um der Versorgungssicherheit willen in Reserve gehalten werden. Die Leitlinien sollen für die Zeit bis 2020 den Rahmen setzen, welchen Unternehmen der Staat wie unter die Arme greifen darf. Dabei geht es um Subventionen, die mit Energie und Umwelt zu tun haben. Ziele der Leitlinien sind die Verwirklichung der Klimaziele der EU, Versorgungssicherheit, die Kosteneffizienz und ein fairer Markt ohne zu große Wettbewerbsverzerrungen durch den Staat.

(AFP)
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