Fragen und Antworten Warum Griechenland schon wieder die Pleite droht

Berlin/Brüssel · Die Eurogruppe der Finanzminister will erst am 24. Mai entscheiden, ob Griechenland die Bedingungen für weitere Hilfskredite erfüllt hat. Der Internationale Währungsfonds will neue Schuldenerleichterungen der Europäer erzwingen.

Gläubiger haben Griechenland bisher mit 140 Milliarden entlastet
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Foto: dpa, fg htf cul

Im griechischen Schuldendrama sieht Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Gesprächsbedarf für Schuldenerleichterungen. Es werde eine erste Diskussion geben, ob, wann und wie solche Maßnahmen greifen könnten, sagte er beim Sondertreffen der Euro-Finanzminister gestern in Brüssel. Eine Entscheidung könne aber erst am 24. Mai fallen.

Bei den Verhandlungen über eine nächste Zahlung an Athen im Rahmen des im vergangenen Sommer beschlossenen Hilfspakets in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro war zuletzt der hohe Schuldenstand Griechenlands in den Fokus gerückt. Für 2016 wird ein Schuldenberg von 183 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet, erlaubt sind höchstens 60 Prozent. Vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) pocht auf weitere Schuldenerleichterungen.

Warum droht Griechenland schon wieder die Pleite? Athen muss im Juli insgesamt 3,66 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank und andere Gläubiger zurückzahlen. Die Summe hat Athen nicht. Wird sie nicht pünktlich beglichen, muss der IWF vier Wochen später die Insolvenz feststellen.

Warum kommt die griechische Wirtschaft nicht auf die Beine? Griechenland mangelt es vor allem an privaten und öffentlichen Investitionen. Der Staat kann nicht investieren, weil er überschuldet ist. Die privaten Investoren bleiben aus, weil sie kein Vertrauen in die Zukunft des Landes haben. Durch das dritte Hilfspaket wollen die Geldgeber neues Vertrauen schaffen. Doch das Land ist trotz einiger Reformfortschritte weiterhin nicht wettbewerbsfähig: Die Bürokratie verhindert neue Unternehmen, der industrielle Bestand fehlt fast völlig.

Welche Bedingungen für das dritte Hilfspaket sind erfüllt? Das griechische Parlament hat in der Nacht zum Montag ein weiteres Sparpaket im Umfang von 5,4 Milliarden Euro verabschiedet. Es billigte Rentenkürzungen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro. Zudem sollen weitere 1,8 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen in die Staatskassen fließen. Nicht eingelöst hat Athen Zusagen zum Privatisierungsumfang von insgesamt 50 Milliarden Euro. Zudem fehlt eine Verwaltungsreform. Der IWF fordert zudem weitere Sparbeschlüsse "auf Vorrat", die dann umgesetzt werden, wenn die Etatziele erneut nicht erfüllt werden. Dafür gibt es keine Mehrheit.

Warum wird jetzt wieder über Schuldenerleichterungen diskutiert? Der IWF macht Schuldenerleichterungen der Europäer zur Bedingung dafür, dass er beim Hilfspaket an Bord bleibt. Der Fonds will sicherstellen, dass er sein Geld dauerhaft zurückerhält. Im Gespräch sind jetzt noch längere Laufzeiten für Kredite und noch geringere Kreditzinsen. "Wenn Merkel und Schäuble den IWF an Bord halten wollen, können sie die Bedingungen des IWF dafür nicht weiter ablehnen. Das ist schizophren", sagte Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler.

Was spricht gegen einen Schuldenschnitt? Dagegen spricht, dass die Europäer die Tilgung von Hilfskrediten bis 2020 ohnehin ausgesetzt und Zinszahlungen bis 2023 gestundet haben. Eine Verringerung der Schuldenlast würde Athen deshalb zum jetzigen Zeitpunkt gar keine Erleichterung verschaffen. "Die hohe Schuldenlast ist gegenwärtig nicht Griechenlands Problem. Griechenland geht jetzt nicht Pleite, nur weil es ab 2020 mit der Rückzahlung von Schulden an die Europäer beginnen soll", sagte Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus. Zudem würde der Reformdruck auf Athen nachlassen.

Was spricht für einen Schuldenschnitt? Athens Schuldenlast würde sofort reduziert, das würde eine schnellere Rückkehr des Landes an die Kapitalmärkte realistischer machen. Befürworter eines Schuldenschnitts argumentieren zudem, dadurch würde Vertrauen von privaten Investoren zurückkehren, weil damit endgültig gesichert sei, dass Griechenland im Euro bleibt.

Wie würden sich Schuldenerleichterungen auf den deutschen Staatshaushalt auswirken? Allenfalls indirekt und in geringen Beträgen ab 2023, die wohl zu verkraften wären. Da die Hilfskredite von den Euro-Rettungsschirmen ausgezahlt wurden, müssen diese die nicht zurückgezahlten Schulden abschreiben, nicht der Bund.

Wo sind die bisherigen Hilfskredite hingeflossen? Zu 95 Prozent sind die Kredite aus bisherigen Hilfspaketen privaten Banken zugute gekommen. Nur 9,7 Milliarden der fast 220 Milliarden Euro landeten im griechischen Haushalt, wie vergangene Woche eine Studie der European School of Management and Technology zeigte. Allerdings hatte Griechenland das geliehene Geld für staatliche Ausgaben verbraucht.

(mar)
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