Nach der Wahl in Griechenland Was wird aus dem Euro?

Brüssel · Am Sonntag haben die Griechen auch über die Zukunft der Währungsunion abgestimmt. Ein "Grexit", ein Austritts Athens, ist unwahrscheinlicher geworden. Doch gerettet ist der Euro noch nicht.

Diese Regierungen zerbrachen an der Euro-Krise
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Die Griechen haben zum zweiten Mal binnen sechs Wochen ein Parlament gewählt — und auch über die Zukunft des Euro abgestimmt.

Wie geht es weiter in Athen?

Der griechische Staatspräsident beauftragt heute den Gewinner der Wahl mit der Regierungsbildung. Diesem bleiben dafür 72 Stunden. Schafft er es in dieser Zeit nicht, ein Bündnis zu schmieden, wird der Auftrag an den Chef der zweitstärksten Partei übergeben.

Was bedeutet ein Sieg des Konservativen Samaras?

Aufatmen für Europa: Da das griechische Wahlrecht der stärksten Partei 50 zusätzliche Sitze im Parlament zubilligt, hat Antonis Samaras von der Nea Demokratia nun gute Chancen, etwa mit der sozialistischen Pasok eine stabile Regierung der pro-europäischen Kräfte zu bilden. Die Finanzmärkte dürften heute erleichtert reagieren. Das Problem: Landen die Beinahe-Wahlsieger von der radikallinken Syriza in der Opposition, dürften sie das Land gemeinsam mit den Gewerkschaften durch Streiks lahmlegen. Der Reformkurs, der weitere elf Milliarden Einschnitte verlangt, wäre schwer durchzusetzen.

Was passiert, wenn die Regierungsbildung scheitert?

Angesichts des knappen Wahlausgangs ist es aber auch möglich, dass eine Regierungsbildung nicht gelingt. Dann müssten die Griechen in sechs Wochen erneut an die Urnen. Schon vorher aber braucht das Land neue Milliarden von den internationalen Geldgebern, um Löhne, Renten und medizinische Leistungen finanzieren zu können. Bekommt Athen im Juli kein neues Geld, droht die Staatspleite.

Ist Athens Pleite vom Tisch, wenn Samaras neuer Ministerpräsident wird?

Selbst die pro-europäischen Parteien haben im Wahlkampf versprochen, die Spar-Vereinbarungen mit den internationalen Geldgebern nachzuverhandeln. Das lehnen diese aber ab. Kanzlerin Merkel hatte noch am Wochenende erklärt, die Zusagen müssten eingehalten werden. Wahrscheinlich ist, dass es zu einem Kompromiss kommt: Europäische Union und Internationaler Währungsfonds (IWF) geben Athen mehr Zeit, um seine Ziele zu erreichen. So kann Samaras seinen Wählern sagen, er habe erfolgreich die als Spardiktat geschmähten Reformauflagen gelockert. Zugleich bleibt die Substanz der Vereinbarungen — Privatisierung, Senkung der Staatsausgaben — unangetastet. Dann werden die Geldgeber auch neue Hilfen geben.

Was passiert bei einem Grexit, also einem Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone?

In der ökonomischen Theorie hört sich ein "Grexit" (kurz für "Greece exit", griechischer Ausstieg) verlockend an: Elfenbein-Ökonomen predigen gerne, dass die griechischen Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen doch viel günstiger verkaufen könnten, wenn es die Drachme wieder gäbe. Das Problem: Griechenland hat außer Tourismus, Feta-Käse und Olivenöl keine nennenswerten Exportgüter. Erst ganz langfristig könnten sich Unternehmen angelockt fühlen, in Griechenland zu investieren. Kurzfristig aber käme es zum Zusammenbruch des Wirtschafts- und Finanzsystems. Die griechische Notenbank rechnet durch die Wiedereinführung der Drachme mit einem Sturz des Lebensstandards der Griechen um 55 Prozent. Die Arbeitslosigkeit könnte auf 34 Prozent klettern, die Wirtschaftsleistung um 22 Prozent sinken. "Wenn Griechenland aus dem Euro raus ist, kann alles passieren — bis hin zur Militärdiktatur", warnt Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Wie wahrscheinlich ist ein Grexit?

Zum Glück unwahrscheinlich. Die Griechen sind zwar mehrheitlich gegen die Reformen, überwältigende 80 Prozent wollen aber in der Währungsunion bleiben. Das weiß auch der linksradikale Parteichef Alexis Tsipras, der sich nach einem Wahlsieg wohl pragmatischer hätte zeigen müssen, als er während des Wahlkampfes aufgetreten ist.

Ist die Euro-Krise vorbei, wenn Athen wieder eine stabile Regierung hat?

Nein, keineswegs. Die Schulden Griechenlands betragen trotz des Schuldenschnitts weiter 165 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und sind damit erdrückend hoch. Und mit Spanien hat auch die viertgrößte Volkswirtschaft Hilfe beim Rettungsschirm beantragt. Wenn am Ende der spanische Staat mehr Hilfen als die zur Rettung seiner Banken braucht, wird es eng. Italien, das eine Schuldenquote von 120 Prozent hat, könnte der Rettungsschirm gar nicht mehr auffangen. Das wissen auch die Spitzenpolitiker.

Wie will die Kanzlerin den Euro langfristig retten?

Zur langfristigen Rettung des Euro gibt es auf der europäischen Bühne zwei Denkschulen. Die Kanzlerin will die Länder mittels des europäischen Fiskalpaktes zu Sparsamkeit erziehen. Langfristig sollen die Länder mehr Souveränität in (wirtschafts-)politischen Fragen an Europa abgeben. Europa darf dann mitbestimmen, ob etwa in Italien die Renten steigen. Kommt es am Ende zu einer solchen "politischen Union", kann sich die Kanzlerin auch Eurobonds, also gemeinsam aufgenommene Kredite der Euro-Länder, vorstellen. Aber eben erst am Ende.

Wie will der Rest der Welt Europa retten?

Nahezu der Rest der Welt hat andere Vorstellungen als die Kanzlerin — und die laufen im Kern darauf hinaus, dass vor allem Deutschland erst einmal das Feuer mit viel Geld löscht, bevor die Staaten wieder wachsen und ihre Schulden abtragen. Die Bankenunion, die die EU-Kommission will, heißt: Deutsche Banken haften für die Spareinlagen der ausländischen Banken. Die Eurobonds, die Franzosen, Südeuropäer und auch die Europäische Zentralbank wollen, heißt: Deutschland zahlt mehr Zinsen, damit andere weniger Zinsen zahlen müssen.

Brauchen wir den Euro?

Auf dem EU-Gipfel am 28. Juni geht es für die Kanzlerin wieder um alles. Aber ihr Kampf lohnt: Anders als Thilo Sarrazin behauptet, braucht gerade Deutschland den Euro. Ein Crash der Währungsunion würde eine politische und eine weltwirtschaftliche Krise auslösen. Zudem ist die Euro-Zone das Ziel für 42 Prozent der deutschen Exporte. Das würde sich schlagartig ändern, wenn die Firmen wieder Wechselkurse absichern müssten.

(RP/sap/csi)
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