Kommentar Zwei Wahlsiege für die große Koalition

Düsseldorf · Eines vorneweg: Egal ob Europa- oder Nordrhein-Westfalen-Wahl - die große Mehrheit der Bürger hat sich bei der Abstimmung für die regierenden Parteien in Berlin entschieden.

"Wir sind superstolz auf Martin Schulz!"
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Foto: dpa, pil fpt

Die erste bundesweite Wahl nach dem Amtsantritt der großen Koalition war zurecht als Testwahl für Angela Merkels Bündnis gewertet worden. Die vergangenen Bundesregierungen waren kurz nach ihrem Start meist von den Wählern abgestraft worden. Diese Prüfung haben Union und SPD nun bestanden. Merkel und die SPD, das tut keinem wirklich weh. Narkotisch liegt die Wohlfühl-Politik der großen Koalition über einem Land, dessen robuste Konjunktur selbst milliardenschweren Rentenpaketen standhält. Die Botschaft der Wähler in dieser Wohlstandsoase lautet wieder einmal: Merkel wird‘s schon richten.

Dass die Union aus dem 40-Prozent-Turm absteigen musste, hat mehrere Gründe. Die rüpelhafte Rhetorik der CSU dürfte Wähler irritiert haben. Mehr noch aber stört sich die eigene Klientel an der passiven Rolle der Konservativen im Bund. Die Wirtschaftskompetenz, einst eine Domäne der Union, ist angesichts einer Politik auf Kosten künftiger Beitrags- und Steuerzahler nicht zu erkennen. Einige Leistungsträger dürften ihr Kreuz da lieber gleich bei den ökonomischen Radikalen der Alternative für Deutschland gemacht haben. Die Wahl ist deshalb auch eine Warnung an die Kanzlerin, die links neben sich durchregieren lässt.

Acht Mal stärkste Kraft in Europa

Die Union bleibt trotz allem Europapartei. Sie ist zum achten Mal hintereinander stärkste deutsche Kraft im EU-Parlament. Die Frage, wer Kommissionschef wird, dürfte sich Angela Merkel nicht aus der Hand nehmen lassen. Umso putziger wirkte gestern die Jubelfeier bei der SPD. Sicher, die Partei legte auf 27 Prozent zu. Die Sozialdemokraten ließen sich im Willy-Brandt-Haus aber feiern, als habe man die absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl erreicht. Dabei holte die SPD bei der Wahl 2009 mit 20,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis. Da konnte es ja nur bergauf gehen. Die Siegesrhetorik von Sigmar Gabriel dürfte seinem ausgeprägten Talent zur Autosuggestion zu verdanken sein. Eine ehrliche Analyse war es nicht.

An Rhein und Ruhr dominiert ebenfalls die CDU. Sie hat das Ergebnis der Kommunalwahl von 2009 gehalten und die Schmach bei der Landtagswahl 2012 getilgt. Dies dürfte in erster Linie einer grundsoliden (Finanz-)Politik in vielen Kreistagen und Stadträten geschuldet sein. Es ist aber auch ein Hoffnungswert für den neuen Landeschef Armin Laschet. Die Führungsfrage in der NRW-CDU ist geklärt, Laschet kann den ersten Sieg vorweisen. Er dürfte das Votum auch als Ermutigung verstehen, einen selbstbewussteren Auftritt in der Landespolitik hinzulegen. Bisher war sein Kurs eher diffus.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat den Stresstest ihrer ersten Kommunalwahl als Regierungschefin ohne Bravour bestanden. Im Vergleich zu den dürftigen Wahlen 2004 und 2009 haben die Genossen leicht zugelegt. In einigen Städten könnte der SPD noch ein Achtungserfolg bei der Wahl der Stadtspitze gelingen. In Düsseldorf droht dem CDU-Oberbürgermeister Elbers die Stichwahl gegen seinen quirligen SPD-Herausforderer Geisel.

Der "bergische Jung" wird abgestraft

Der große Verlierer des Abends ist ein echter "bergischer Jung". FDP-Chef Christian Lindner hat es trotz seines emsigen Wahlkampfs in den Provinzen der Republik nicht geschafft, der FDP eine Existenzberechtigung im Parteiensystem zu verleihen. Nur rund eine Million Wähler konnte der Wermelskirchener bundesweit hinter seiner Partei versammeln. Die FDP verharrt weiterhin bei drei Prozent, im Bund und in NRW. Ein Desaster. An Rhein und Ruhr lagen die Liberalen 2009 noch bei 9,2 Prozent. Angesichts der sozialdemokratisch dominierten Bundesregierung und ihrer Wirtschaftspolitik auf Pump hätte die FDP als liberale Alternative reüssieren müssen. Doch ein Lindner macht noch keinen Sommer. Die AfD ist für viele Wirtschaftsliberale eine echte Alternative geworden. Und die FDP überflüssig.

(brö)
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