Nur Merkel bleibt ruhig Schulz-Euphorie macht die Union nervös

Berlin · Kanzlerkandidat Martin Schulz startet bei der SPD ungebremst durch. Das sorgt auch in Reihen der Union langsam für Unruhe: Sollte die CDU nur leicht in den Umfragen abrutschen, droht der nächste Krach zwischen Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer.

 Martin Schulz gab sich beim SPD-Sonderparteitag am Sonntag kämpferisch.

Martin Schulz gab sich beim SPD-Sonderparteitag am Sonntag kämpferisch.

Foto: afp

Anfang Februar wurde die Ehekrise abermals offensichtlich. Da saßen Angela Merkel und Horst Seehofer als Vorsitzende von CDU und CSU nebeneinander bei einer Pressekonferenz in München, kurz nachdem sich Seehofer für Merkels Kanzlerkandidatur ausgesprochen hatte. Die Kanzlerin schaute mürrisch, Seehofer kicherte über Journalistenfragen wie diese: Wie sie angesichts des Streits um die Obergrenze gemeinsam im Wahlkampf auftreten wollen? Merkel sagte, man habe sich über die Formate noch nicht verständigt und Seehofer forderte von ihr Auftritte in Bayern ein.

Unterdessen folgt bei den Sozialdemokraten seit Ende Januar Feuerwerk auf Feuerwerk. Martin Schulz sprintete als designierter Kanzlerkandidat der SPD aus dem 20-Prozent-Umfrage-Tal und erreichte bei 30 Prozent wieder Augenhöhe mit der Union. 13.000 Menschen traten seit seiner Nominierung der SPD bei. "Mega-Schulz", wie sie ihn nennen, wurde am vergangenen Sonntag mit nie dagewesenen 100 Prozent zum neuen SPD-Chef gewählt.

Jetzt greift in der Union die Nervosität um sich - auch wenn die CDU mit 3000 Neumitgliedern ebenfalls überdurchschnittlich viele Eintritte zählte. Denn noch unangenehmer als der Hype um Schulz ist für die Union, dass der SPD-Kandidat mit tröpfchenweise vorgestellten Wahlkampfpositionen die politische Diskussion im Land bestimmt. Das Arbeitslosengeld Q als Reform der vor allem bei linken Genossen und der Linkspartei umstrittenen Agenda 2010 kommt in deren Lager gut an - und erzürnt die Gemüter bei Union und Arbeitgebern. Gegenentwürfe gibt es jedoch keine und Verweise auf die guten Wirtschaftsdaten verhallten schnell.

"Jetzt warten wir erst einmal das Saarland ab"

Nach außen gibt sich die Union Mühe, Gelassenheit zu demonstrieren. Auch die Kanzlerin fährt diesen Kurs: Ruhe bewahren, sich nicht provozieren lassen, auf die eigenen Stärken vertrauen - und darauf, dass die Wähler diese nach nunmehr zwölf Jahren gut genug kennen. Von dem 100-Prozent-Ergebnis des Martin Schulz wollten sich die Christdemokraten gestern jedenfalls nicht aus der Reserve locken lassen. "Jetzt warten wir erst einmal das Saarland ab", hieß es von der Parteispitze. Im Adenauer-Haus ist die Neigung äußerst gering, jetzt schon den heißen Wahlkampf zu starten. Die Einschätzung: Sechs Monate Wahlkampf. Das kann man den Bürgern nicht zumuten.

CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner ging aber doch in die Offensive und warnte die SPD davor, sich zu früh zu freuen. "Angela Merkel sollte man keinesfalls unterschätzen, sie ist faktensicher, hat Spaß am Wahlkampf, jede Menge Energie, Erfahrung und Haltung", sagte Klöckner. Sie betonte, es sei gut, "dass wir Klarheit haben, gegen wen wir antreten". Sie forderte Schulz auf, dass es ab jetzt auch für ihn um Inhalte gehen müsse. "Auf diesen Wettbewerb um die besten Inhalte, deren Finanzierbarkeit und Zukunftsfestigkeit freue ich mich. Wir haben vor, einen engagierten und anständigen Wahlkampf mit Respekt und Klarheit zu führen."

Das will auch Schulz. Er spricht stets davon, keinesfalls amerikanische Verhältnisse im Wahlkampf haben zu wollen. Respekt für die Menschen ist sein Credo, das gilt auch für den Wettbewerb mit der Union. Armin Laschet, CDU-Spitzenkandidat in NRW, sagte, er wolle zeigen, "wie man mit nüchternen Fakten einen fairen Wahlkampf gegen die wolkigen Phrasen von Herrn Schulz gewinnt."

Die Spannung steigt

Doch unter der Oberfläche brodelt es bei CDU und CSU. Sollte die Union in den Umfragen nur leicht abrutschen, droht der nächste Krach zwischen Merkel und Seehofer. Vor allem, wenn die drei Landtagswahlen gut für die SPD ausgehen sollten. Der Ruf nach mehr Präsenz im Wahlkampf wird in der Union daher immer lauter.

Und der Ärger entlädt sich nun etwa an der Nachricht, dass Schulz nicht wie vor Wochen angekündigt am Koalitionsausschuss am 29. März teilnehmen wird. Grund: Die SPD-Fraktion feiere zu der Zeit ein Fest. CSU-General Andreas Scheuer sprach von Drückebergerei. Auch Manfred Weber, stellvertretender CSU-Vorsitzender und EVP-Chef im Europa-Parlament, greift Schulz an. "Wenn Herr Schulz von Respekt spricht, sollte er auch Respekt gegenüber den anderen Parteivorsitzenden der großen Koalition zeigen und am Koalitionsausschuss teilnehmen", sagte er unserer Redaktion. "Sein Argument, warum er nicht kommen möchte, hat mich überrascht. Ein Fest der Fraktion ist doch nicht wichtiger als die Entscheidungen für die Menschen im Land, die ein Koalitionsausschuss trifft."

(jd / qua)
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