Brüssel EU verspricht weniger Bürokratie

Brüssel · Die Juncker-Kommission streicht 83 Projekte - auch beim Umweltschutz.

Die "Brüsseler Bürokratie" ist - teils zu Recht, teils zu Unrecht - zum Sinnbild von Bevormundung und Überregulierung geworden. 74 Prozent aller EU-Bürger sind einer jüngeren Umfrage zufolge der Überzeugung, dass die Europäische Union zu viel Bürokratie produziert. Der gestrige Tag wurde damit zum Lackmus-Test für die Arbeitsweise der neuen Kommission von Jean-Claude Juncker. Mit dem Arbeitsprogramm für kommendes Jahr wollte der neue Chef der EU-Exekutive ein Wahlkampfversprechen einlösen, sich künftig nur noch auf wichtige Dinge zu konzentrieren.

Die Kommissare haben sich dazu auf Prioritäten verständigt. Das Arbeitsprogramm listet nur 23 Initiativen auf, welche Brüssel 2015 ergreifen will. Zum Vergleich: 2010 waren es unter Vorgänger José Manuel Barroso 34, im Folgejahr gar 40 Vorschläge. Vorrang sollen nächstes Jahr nun unter anderem die Umsetzung des EU-Investitionsprogramms sowie der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit haben. Der Deutsche Günther Oettinger wird noch vor dem Sommer die Grundlagen für einen digitalen Binnenmarkt präsentieren, Vorschläge für ein europäisches Urheberrecht inklusive. Die sogenannte Energieunion soll genauso vorangetrieben werden wie die legislative Umsetzung der Ende Oktober beschlossenen Klimaziele für 2030. Angesichts der Flüchtlingskrise will die Kommission außerdem Vorschläge für eine legale Zuwanderung nach Europa präsentieren.

Das heißt aber nicht unbedingt, dass es bei der relativ geringen Zahl von Initiativen bleibt. Unvorhergesehene Entwicklungen haben etwa im Zuge der Finanzkrise dazu geführt, dass die Staats- und Regierungschefs von der Kommission das gesetzliche Gerüst für die Bankenunion einforderten und bekamen. Forderungen des Europaparlaments werden - obwohl es kein Initiativrecht hat - erwogen. Zudem finden sich im Anhang des Arbeitsprogramms Aufträge, um alte Vorschläge in neuer Form vorzustellen.

Das ist der zweite Baustein des Bürokratieabbaus. Von sage und schreibe 452 Initiativen, die ohne Aussicht auf Verabschiedung in Rat und Parlament auf Eis liegen oder überholt sind, zieht die Behörde 83 Stück zurück. Dazu gehören das umstrittene Schulobst-Programm, neue Vorschriften für den Ökolandbau oder eine Angleichung der Steuern auf Benzin und Diesel. Genauso wenig sollen Flughafendienste weiter liberalisiert werden. Den Zorn von Ökologen und Ministern aus elf Staaten erregt, dass auch Gesetze für höhere Luftqualität und zur Müllvermeidung ad acta gelegt werden sollen.

(RP)
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