Der Fall Michael Hartmann Crystal Meth auf dem Vormarsch

Berlin · Der Fall des SPD-Innenexperte Michael Hartmann rückt die gefährliche Substanz in den Blick der Öffentlichkeit.

"Breaking Bad, Herr Hartmann?"
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Foto: dpa, fve lre

Bei einer Durchsuchung der Berliner Wohnung des unter Drogenverdacht stehenden SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann fanden die Ermittler am Mittwoch kein Rauschgift. Das teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. Die Ermittlungen dauerten an, hieß es.

Unterdessen hat der bisherige innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion alle Termine abgesagt. Nach Medien-Informationen gibt es aber offenbar eine Verbindung zu einem Verfahren am Berliner Landgericht gegen eine 43-Jährige, die mit der Droge Crystal Meth gehandelt haben soll. Laut Anklage soll sie zwei Kilo davon beschafft haben. In einer Gartenlaube soll es zu 17 Verkäufen an vier Abnehmer gekommen sein. Laut "Spiegel Online" kaufte Hartmann dort mindestens dreimal Crystal Meth - insgesamt weniger als fünf Gramm, heißt es.

Derweil warnen Experten vor einer Ausbreitung der Droge. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes steigt die Zahl der Konsumenten seit Jahren. Wurden 2009 erst 364 erstauffällige Crystal-Konsumenten registriert, zählten die Behörden 2012 bereits 2556 Fälle. Auch die beschlagnahmten Mengen nehmen zu: 2013 gab es 3847 Sicherstellungen (zehn Prozent mehr als 2012), bei denen Ermittler insgesamt 77 Kilogramm Crystal Meth einkassierten (plus drei Prozent).

Dabei ist die Droge in Deutschland regional sehr unterschiedlich verbreitet. Während das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen nur von wenigen Fällen spricht, ist die Droge zunehmend ein Problem in den Großstädten Berlin und Hamburg. Aber keine anderen Regionen kämpfen so stark mit Crystal Meth wie das östliche Bayern, Teile von Sachsen und Thüringen. Der Grund: Vor allem in Tschechien, aber auch in Polen gibt es die meisten Crystal-Küchen. Auf sogenannten Asiamärkten kurz hinter der tschechischen Grenze etwa kann die leicht herzustellende Droge günstig erworben werden. Das bayerische Landeskriminalamt schätzt, dass ein Gramm Crystal Meth in der Herstellung zwischen einem und drei Euro kostet, in der Grenzregion wird es dann für etwa 20 Euro verkauft. In grenzfernen Großstädten wie München und Berlin müssen Konsumenten bis zu 120 Euro pro Gramm ausgeben.

Chemisch heißt die synthetische Droge Methamphetamin und ist letztlich ein Konzentrat aus Amphetaminen. Die typischen Kristalle werden geschnupft, geschluckt oder geraucht. Etwa acht Dosierungen sind pro Gramm möglich. Schon beim ersten Konsum kann eine Abhängigkeit entstehen, später führt dieser häufig zu einer Zersetzung des Körpers. Offene Wunden, Zahnausfall, Kreislauf-Probleme, Halluzinationen und Organversagen sind nur einige der Folgen des Konsums.

Der in Bayreuth praktizierende Facharzt für Psychiatrie, Roland Härtel-Petri, ist einer der führenden Experten für Crystal Meth. Aus seiner Sicht sind drei Gruppen besonders anfällig, in Kontakt mit der Droge zu kommen: viel arbeitende Leistungsträger, junge Mütter sowie Anhänger der Club-Kultur in Städten. "Die aufputschende Wirkung von Crystal ist für alle diese Gruppen interessant", sagt Härtel-Petri. "Sie gibt einen Kick, lässt zum Beispiel gestresste Mütter glauben, sie könnten am Wochenende weiter feiern gehen." Unter seinen Patienten seien auch schwer arbeitende Handwerker. "Ein Maler raucht die Kristalle, weil er danach tagelang wach und ohne Schmerzen durcharbeiten kann." Besonders weit in Umlauf sei die Droge aber in der zumeist homosexuellen Party-Szene. "Die Substanz sorgt dafür, dass man sich stark und selbstbewusst fühlt, sie fördert die sexuelle Lust und unterdrückt Müdigkeit, Hunger, Durst." Fatal aber sei der Absturz danach. "Crystal Meth ist brandgefährlich", warnt Härtel-Petri.

(jd)
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