Berlin Schritt für Schritt zurück nach oben

Berlin · Zwei Frauen haben der FDP unverhofft neuen Respekt verschafft: die Spitzenkandidatinnen in Hamburg und Bremen. Und bundesweit liegt die Partei wieder bei fünf Prozent. Doch der Patient steht noch auf schwachen Füßen.

 Die FDP feiert wieder kleinere Erfolge.

Die FDP feiert wieder kleinere Erfolge.

Foto: Radowski

Die 2013 in einem rauchenden Trümmerfeld entworfene Skizze vom Wiederaufstieg der FDP handelte von einer langen Durststrecke, von einer vagen Hoffnung: dass es 2016 in den einstigen Hochburgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wieder zaghafte Achtungserfolge geben könnte und dass sich die Partei bei den Landtagswahlen in ihren verbliebenen starken Bastionen Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein 2017 gerade rechtzeitig vor der Bundestagswahl zurückmelden würde.

Doch unversehens spürt der scheinbar heillos leckgeschlagene Dampfer der Liberalen schon in diesem Jahr wieder Wasser unterm Kiel. Die Partei, die sich gegen jede Frauenquote wehrt, kämpft sich mit den starken Frauen Katja Suding und Lencke Steiner und mit einem harmonisch agierenden Führungsteam zurück in die Sphäre der politischen Wahrnehmbarkeit.

Im Gespräch mit unserer Zeitung markiert der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki einen Wendepunkt, der nicht nur Insider aufhorchen lässt: "Der Generalverschiss ist vorbei." Mit diesem drastischen Wort hatte das liberale Urgestein aus dem hohen Norden die Ursachen für den beispiellosen Niedergang der FDP nach dem historisch einmaligen 14,6-Prozent-Erfolg von 2009 auf den Punkt gebracht. Nachdem die FDP kraftvoll mit gleich fünf Ministern ins Kabinett Merkel eingezogen war und dann das vollmundige Versprechen vom einfachen, niedrigen und gerechten Steuersystem nicht umgesetzt hatte, rumsten ihre Beliebtheitswerte in den Keller, konnte auch ein Personalaustausch an der Spitze nichts mehr retten und katapultierte sich die Partei in Panik und Selbstverleugnung ("FDP wählen, damit Merkel Kanzlerin bleibt") selbst aus dem Parlament.

"Unglaublich hämisch" sei der Umgang mit der FDP gerade im Wahljahr 2013 gewesen, erinnert sich Kubicki - und stellt demgegenüber nun erfreut fest: "Diese Häme ist vollständig verschwunden und teilweise sogar schon wieder Respekt gewichen." Der Respekt kam mit den Frauen, die die eigentlich schon abgeschriebenen Wahlen in Hamburg und Bremen bereits in einen Eisbrecher für den Wiederaufstieg der FDP verwandelten. Katja Suding startete bei Umfragewerten von drei Prozent und machte gegen eine liberale Konkurrenzpartei einen auf ihre Persönlichkeit zugeschnittenen Wahlkampf, machte mit Ausstrahlung und Attraktivität auf ihr liberales Konzept für Hamburg aufmerksam und fuhr damit unerwartete 7,4 Prozent ein.

In Bremen wird zwar erst am 10. Mai gewählt, doch die Wetten für die Liberalen sind in der "Wahlbörse" des Online-Portals PESM auch hier inzwischen von 3,7 auf 5,2 Prozent gestiegen. Dahinter steht die Quereinsteigerin Lencke Steiner als Spitzenkandidatin, die als 29-jährige Unternehmerin und Bundesvorsitzende des Verbandes der Jungen Unternehmer ebenfalls reichlich inhaltliche Kompetenz mitbringt. Sie wandelt jedoch auf einem schmalen Grat und versucht, im Wahlkampf mit Selbstironie zu punkten, indem sie erst einmal alle Vorbehalte gegen junge, blonde FDP-Politikerinnen aufgreift und "Champagner für alle - Grundrecht auf Mode" auf die Plakate schreiben lässt.

Im vergangenen Herbst ist das mit der Selbstironie in Brandenburg gründlich danebengegangen, als die dortige FDP mit dem Slogan "Keine Sau braucht die FDP" aufrütteln wollte - dabei die Wähler aber erst recht verprellte: Sie sackte von 7,2 auf 1,5 Prozent und durfte sich danach erst einmal von der Bildfläche verabschieden.

Das macht die ehemalige FDP-Spitze heute
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Das macht die ehemalige FDP-Spitze heute

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Foto: dpa, Carmen Jaspersen

In der Zwischenzeit hat sich aber auch der Bundestrend berappelt. Erstmals seit drei Jahren sehen gleich zwei Meinungsforschungsinstitute die FDP wieder bei fünf Prozent, und zwar nicht nur als kurzfristiger Ausrutscher nach oben. Das hat auch mit dem starken Auftritt des Parteivorsitzenden Christian Lindner beim Dreikönigstreffen in Stuttgart zu tun und mit seiner gediegenen Art, für altbewährte und neu zu beweisende liberale Grundorientierungen einzustehen. Und zwar nicht als Spaßmacher oder Kraftmeier, sondern in einer Mischung aus Demut vor dem Wählersignal der Vergangenheit und der Selbstgewissheit, die liberalen Positionen in der Tagespolitik frei von alten Rücksichtnahmen neu festzuzurren.

Die Umfragen machen bereits deutlich, was die neue Harmonie an der FDP-Spitze und die quälenden Streitigkeiten innerhalb der AfD bewirken: Die Liberalen wachsen ungefähr in der Größenordnung, in der die AfD verliert. Dieser Trend könnte sich sogar noch verstärken, wenn die Debatte um die Euro-Krise in Griechenland weiter eskaliert. Indem Lindner und der FDP-Euro-Experte Alexander Graf Lambsdorff die liberale Einstellung zu den Euro-Rettungspaketen ändern, nehmen sie der AfD zugleich ein Alleinstellungsmerkmal weg.

Nach dem Ausscheiden von Peter Gauweiler aus der CSU-Führung bekommen die kritischen Bemerkungen der FDP sogar besonderes Gewicht im seriösen bürgerlichen Lager. Mühelos bekommt Lindner den Meinungswandel hin: "Vor einigen Jahren war ein chaotischer ,Grexit' (ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, d. Red.) die größte Gefahr, heute ist es ein Verbleiben im Euro unter den falschen Bedingungen." Kommt es im Frühsommer zum dritten Hilfspaket für Athen und betreiben die AfD-Funktionäre weiter lustvolle Selbstverletzungen, dürfte die FDP schon bald dauerhaft über fünf Prozent liegen.

Bilder vom RP-Empfang 2014
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Dann fehlt in einem der Bundesländer nur noch eine neue Regierungsbeteiligung - und schon wäre die FDP (über ihren damit verbundenen Einzug in den Bundesrat) auch im Bundestag bei wichtigen Debatten wieder mit Rederecht präsent. Und die Auseinandersetzung des außerparlamentarischen Liberalismus mit der sozialdemokratisch geprägten großen Koalition fände wieder im Plenarsaal statt. Kubicki warnt jedoch vor zu früher Freude: "Wir sind noch nicht übern Berg!"

Denn die Niederlage von 2013 war so schwerwiegend, dass sie jederzeit für neue negative Nachwirkungen sorgen kann. So, als die FDP sich mit den aktuell vom Bundestag veröffentlichten Rechenschaftsberichten die Schlagzeilen sicherte, mit mehr als vier Millionen in die Miesen gerutscht zu sein und in einer derartigen Finanzklemme zu stecken, dass sie jetzt in der Mitgliedschaft sogar zu Solidaritätsspenden aufrufe. Lindner beeilte sich, mit dem Hinweis gegenzusteuern, dass diese 2013er Bilanz inzwischen überholt sei. "Wir tilgen", teilte er mit und verwies darauf, dass die Partei 2014 dank wachsender Spenden und Mitgliedsbeiträgen wieder einen Millionengewinn gemacht habe. Zudem sei die "Soli"-Aktion nicht an die Mitglieder gerichtet und habe nur etwas mit Landtagswahlkämpfen, aber nichts mit der Bundespartei zu tun.

Letztlich enthalten die Negativ-Schlagzeilen aber auch eine eigentlich beruhigende versteckte Nachricht für Lindner: Seine Partei wird schon wieder ernst genommen.

(RP)
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