Berlin FDP unsicher, CDU startet durch, AfD sauer, Grüne klären Kurs

Berlin · So weit ist es schon wieder, dass ein FDP-Chef mit einem Luxusproblem in die Hauptstadt fährt. Das NRW-Wahlergebnis sei "so gut, dass es jetzt nicht ganz leicht ist, mit ihm richtig umzugehen", lautet die Analyse von Christian Lindner am Morgen nach dem triumphalen 12,6-Prozent-Rekord. Da es für die Liberalen seit dem 2013er Rauswurf aus dem Bundestag nichts Wichtigeres gibt, als 2017 wieder reinzukommen, ist sich Lindner offenkundig unsicher, welche Signale aus Düsseldorf und Kiel die Chancen steigern, welche sie schmälern.

Neue Wähler hätten eine neue Wahrnehmung von einer anderen FDP, meint Lindner. Er will vor allem vermeiden, die FDP erneut auf die Funktion einer Mehrheitsbeschafferin zu reduzieren. Wo liegt also die Grenze zwischen Flucht vor der Verantwortung und ausreichend erkennbarem Politikwechsel als Voraussetzung für Regierungsbeteiligungen in Schleswig-Holstein und in NRW? Während im Norden die Sondierungen gerade angelaufen sind, hat im Westen CDU-Wahlsieger Armin Laschet den FDP-Wahlsieger Lindner noch nicht angerufen.

Laschet kann sich im internen Gespräch mit den Kollegen im CDU-Präsidium vorstellen, dass es mit dieser FDP nicht einfach wird. Gerade auf dem Feld der Inneren Sicherheit stehen die Liberalen traditionell auf der Bremse, von der Schleierfahndung bis zur Vorratsdatenspeicherung. Die FDP will hier mit Blick auf den Bund die Hürden besonders hoch legen, die CDU analysiert wiederum, dass ihre scharfen Forderungen besonders zu ihrem Erfolg beigetragen haben, sie also liefern muss. Am Ende bleibt die große Koalition als Option.

Auch die Union denkt die Sondierungen in Kiel und Düsseldorf inzwischen vom bundespolitischen Ende her. Nun beginne eine "neue Phase im Bundestagswahljahr und im Bundestagswahlkampf", sagt CDU-Chefin Angela Merkel. Und sie verbindet das Lob der gemeinsamen Erfolge in der großen Koalition mit einer Absetzbewegung: Das Thema der Gerechtigkeit sei zwar wichtig, doch bei der SPD stimme die Reihenfolge nicht. Erst gehe es um Innovation, und daraus folge die Gerechtigkeit. Im Präsidium lässt sie auch keinen Zweifel daran, dass die Erkenntnisse aus dem NRW-Wahlkampf Einfluss haben werden auf das Wahlprogramm, das nun bis Anfang Juli erarbeitet werden soll.

Sauer ist die AfD im Bund darauf, dass Laschet in NRW mit "allen demokratischen Parteien" sprechen wolle und die AfD nicht damit meine. AfD-Chef Jörg Meuthen sieht eine andere Klammer, wenn er feststellt, dass alle "bürgerlichen" Parteien gewonnen hätten, also CDU, FDP und AfD. Mit ihren 7,6 Prozent ist die AfD zwar in ihren 13. Landtag eingezogen, aber deutlich unter den Umfrage-Ergebnissen aus dem Vorjahr. Die Ursachenforschung führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Parteichefin Frauke Petry will weg von der Wahrnehmung als Protestpartei, Spitzenkandidat Alexander Gauland bekennt sich genau dazu. Und er arbeitet die CDU als Feindbild heraus. Nach den drei Niederlagen der SPD sei Merkel mit ihrer "verheerenden Flüchtlingspolitik" wieder die Hauptgegnerin, sagt Gauland - "ja, ich würde fast sagen: die Hauptfeindin der AfD".

Die Linke ist maßlos enttäuscht, dass es um 0,1 Prozentpunkt nicht für den Einzug in den NRW-Landtag gereicht hat. Sie zieht ihre Hoffnungen aus einer Verdoppelung ihres Ergebnisses. Die Grünen rechnen sich zugute, dass ihnen ihre Absage an eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP das Schicksal der Linken ersparte. Selbstkritisch nehmen sie auf, dass sie ihr Image als wirtschaftsfeindliche Partei ablegen und das Thema Innere Sicherheit intensiver aufgreifen müssen. Und sie sind verärgert über das Vorpreschen von Jürgen Trittin. Der hatte den Grünen in Kiel empfohlen, besser mit der SPD zu koalieren als mit der CDU, weil sie dann mehr vom Kuchen kriegten. Das weisen die Bundes-Grünen entschieden zurück. Und sie wollen als Konsequenz auch keine Koalitionsaussagen für die Bundestagswahl.

(may-)
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