Berlin FDP würde Minderheitsregierung unterstützen

Berlin · Ein Vorstoß von FDP-Chef Christian Lindner hat in der Union eine kontroverse Debatte über eine unionsgeführte Minderheitsregierung ausgelöst. Lindner hatte bekräftigt, die FDP sei bereit, im Falle des Scheiterns des SPD-Mitgliederentscheids über eine große Koalition eine Minderheitsregierung der Union zu unterstützen. Während der Wirtschaftsflügel der Union ein solches Szenario begrüßte, lehnte es Unionsfraktionschef Volker Kauder strikt ab. "Eine Minderheitsregierung ist nicht stabil genug, um die wirklich großen Herausforderungen bewältigen zu können", sagte Kauder unserer Redaktion.

Die SPD lässt ihre rund 460.000 Mitglieder vom Dienstag an darüber abstimmen, ob sie auf der Grundlage des Koalitionsvertrags mit der Union in eine große Koalition gehen soll. Das Ergebnis soll am 4. März vorliegen. Der zwischenzeitliche Rücktritt von Martin Schulz als SPD-Chef, rückläufige Umfragewerte und die No-Groko-Kampagne der Jusos haben in der SPD für Verunsicherung gesorgt.

"Wenn die SPD nicht bald in ruhigere Fahrwasser kommt, sollte die Union ernsthaft darüber nachdenken, ob nicht eine Minderheitsregierung mehr Stabilität für Deutschland bringt als eine große Koalition", sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Koalitionsvertrag sei in vielen Teilen ein Beleg dafür, dass eine große Koalition nicht die Kraft für einen Neuanfang habe. Auch der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, Christian von Stetten, hatte nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen mit FDP und Grünen im November eine Minderheitsregierung gefordert. Eine andere Einschätzung kam daher vom CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach: "Sich in einer Minderheitsregierung auf die Hilfe der FDP zu verlassen, hieße ja, zwischen Baum und Borke zu regieren", sagte er. "Auf den Lindner zu setzen, wäre ein Vabanquespiel", warnte Michelbach. FDP-Chef Lindner hatte die Jamaika-Gespräche platzen lassen und damit die Regierungsbildung erneut erschwert.

Im Magazin "Focus" sagte Lindner dagegen, die FDP sei eine "konstruktive und staatstragende Partei". Unterstützung für die Union in einer Minderheitsregierung sei etwa beim Abbau von Bürokratie und der Entlastung der Bürger denkbar sowie bei der Beschleunigung der Digitalisierung, einem modernen Einwanderungsrecht oder Bildungsreformen. Die FDP-Fraktion werde "von Sachfrage zu Sachfrage" neu entscheiden. Eine Minderheitsregierung würde allerdings nur wenige Monate halten, so Lindner.

(mar/qua)
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