Zeitungsanzeigen in Albanien Berlin will Flüchtlinge abschrecken

Berlin · Mit Zeitungsanzeigen in Albanien versucht die Bundesregierung, Armutsflüchtlinge von der Ausreise nach Deutschland abzuhalten.

Flüchtlinge: Berlin will mit Zeitungsanzeige abschrecken
Foto: RP/Ferl

Der Satz unter dem Bundesadler lässt keine Missverständnisse zu: "Ne Gjermani nuk ka Azil ekonomik" - "kein Wirtschaftsasyl in Deutschland". So stand es in großen Lettern in den sechs meistgelesenen Zeitungen Albaniens, zeitgleich an zwei Tagen, begleitet von warnendem Text: "Schenken Sie skrupellosen Geschäftemachern keinen Glauben, die aus Profitgier Märchen über Asylgewährung, Arbeitsstellen und Wohnungen in Deutschland verbreiten!", war dort weiter zu lesen. Man solle nicht die eigene Zukunft und die der Kinder ruinieren, indem man seine Lebensgrundlage in Albanien aufgebe, so der Text.

Die Zeitungsanzeigen in Albanien waren nur der Auftakt einer Aufklärungsoffensive der Bundesregierung zur Abschreckung von Flüchtlingen aus Ländern des Westbalkans. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilte, plane man zeitnah auch in anderen Ländern Zeitungsanzeigen, die von den jeweiligen deutschen Botschaften geschaltet werden sollen. Auch ein Film, den das Bundesinnenministerium für das Auswärtige Amt produzieren ließ und offenbar noch im Sommer veröffentlichen will, gehört zu der Kampagne.

Abschreckung durch Aufklärung lautet die Strategie, um die Überlastung in deutschen Asylbehörden und Flüchtlingsunterkünften der Bundesländer an der Quelle zu bekämpfen. Denn obwohl die Chancen auf deutsches Asyl für Menschen aus Ländern des Balkans nahezu aussichtslos sind (nur etwa 0,2 Prozent Anerkennungsquote), reißt der Flüchtlingsstrom nicht ab. Ein Drittel (rund 10 800) aller Erstanträge wurden im Juni von Flüchtlingen aus der Balkanregion gestellt; und Albanien liegt an der Spitze. Allein in diesem Zeitraum beantragten mehr als 5800 Albaner erstmals deutsches Asyl, achtmal mehr als ein Jahr zuvor. Insgesamt gab es seit Januar fast 29 000 Anträge von Albanern, viermal mehr als im gleichen Zeitraum 2014.

Ob die Kampagne jedoch dazu beitragen wird, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, kann wohl kaum gemessen werden. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, hält die Zeitungsanzeigen wie in Albanien dennoch für ein geeignetes Instrument. "Die Kampagne klärt richtigerweise über die Rechtslage auf und ist daher ein guter, längst fälliger Schritt." Es sei wünschenswert, wenn sich dieses Wissen vor allem in Ländern wie dem Kosovo oder Albanien weit verbreiten würde, sagte Beck. "Das erspart den Menschen die kostspielige Flucht und den deutschen Behörden viele Verfahren, die ohnehin fast ausschließlich in abgelehnten Asylanträgen münden", so der Grünen-Politiker.

Scharfe Kritik übte hingegen Linken-Parteichef Bernd Riexinger: "Es wäre sinnvoller, wenn sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seine Integrationsaufgaben konzentrieren würde, statt sich in Abschreckungskampagnen zu üben", sagte er. Menschen in schwierigen Lebenssituationen in "schönstem" Beamtendeutsch zu erklären, dass sie besser zuhause bleiben sollen und Ratschläge zu geben, müsse für die Betroffenen zynisch wirken, sagte Riexinger. Er betonte, dass es auch in den Ländern des Westbalkans politische Verfolgung gebe, vor allem gegen Roma.

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Foto: dpa, bom fdt Ken jol

Unterdessen erhöhten Unionspolitiker den Druck, weitere Länder des Westbalkans zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Ihr Kalkül: Asylbewerber aus solchen Ländern können nach einem verkürzten Verfahren schneller abgeschoben werden, das könne maßgeblich für Entlastung sorgen.

Neben dem Europa-Abgeordneten der CDU, David McAllister, sprach sich auch die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, für eine solche Einstufung etwa Albaniens, Montenegros und des Kosovo aus. Auch die SPD signalisierte Zustimmung. Offenen Streit gibt es hingegen weiterhin über ein Einwanderungsgesetz. Hasselfeldt lehnt das ab, die CDU zeigt sich teils offen, die SPD ist klar dafür: "Wir wollen mehr Menschen die Chance bieten, auf legalem Wege nach Deutschland zu kommen und hier eine Arbeit aufzunehmen", sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl.

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Foto: dpa, rwe lof

Aufsehen erregte zudem ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Die Richter stoppten die Abschiebung eines irakischen Asylbewerbers nach Ungarn mit der Begründung, dass es dort systemische Mängel des Asylverfahrens gebe und nicht von einer menschenwürdigen Unterbringung weiterer Flüchtlinge ausgegangen werden könne. Der Mann sollte nach Ungarn zurück, weil er dort einen ersten Asylantrag gestellt hatte.

(jd)
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