Flüchtlingskrise Der Westen braucht die Russen in Syrien

New York · Russlands Präsident Putin hat sich als Unterstützer des Assad-Regimes, aber auch als Ordnungsmacht wieder ins Spiel gebracht. Der Westen kann das nicht ignorieren, wenn er den Konflikt und die syrische Flüchtlingskrise lösen will.

Baschar Al-Assad – vom Hoffnungsträger zum Zyniker
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Das ist Baschar Al-Assad

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Vielleicht ist es der Satz, über den sich Barack Obama im Nachhinein am meisten ärgert. Aus einem B-Team, das sich die Trikots der Los Angeles Lakers überstreife, werde noch kein Kobe Bryant, sagte der Präsident in einem Interview mit dem Magazin "The New Yorker". Es gebe einen Unterschied zwischen Osama Bin Ladens Netzwerk, in Obamas Bild erste Liga wie der Superstar der Lakers, und Dschihadisten, die in verschiedene lokale Machtkämpfe verstrickt seien. Gemeint war der "Islamische Staat"(IS).

So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
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Dass es sich um eine Fehleinschätzung handelte, geben inzwischen auch hochrangige Militärs öffentlich zu. Martin Dempsey, scheidender Generalstabschef der US-Streitkräfte, spricht ernüchtert von einem taktischen Patt im Ringen mit dem IS, einem Stellungskrieg ohne dramatische Geländegewinne. Blamabel gescheitert ist der Versuch, in Syrien eine moderate Rebellenarmee aufzustellen. Als das Pentagon im vergangenen Dezember Rebellen auszubilden begann, sollten binnen zwölf Monaten 5400 pro-amerikanische Oppositionskämpfer unter Waffen stehen. Tatsächlich lässt sich die Zahl derer, die wirklich im Einsatz sind, an den Fingern einer Hand abzählen, wie Lloyd Austin, als Chef des Central Command zuständig für Operationen im Nahen Osten, dieser Tage einräumte: "Es sind vier oder fünf".

"Wir wissen nicht, was auf Assad folgt"

Von Syrien nach München – die Route der Flüchtlinge
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Foto: AP/Lefteris Pitarakis

Die Hoffnungen ruhen nunmehr auf den syrischen Kurdenmilizen. Mit deren Hilfe, so skizzierte es der frühere CIA-Direktor David Petraeus bei einer Anhörung im Senat, könnte man im Norden und Nordosten Syriens "sichere Häfen" einrichten, sichere Gebiete für Hunderttausende, die sich sonst wohl auf den Weg nach Europa machen würden. Petraeus' Stimme hat wieder Gewicht, nachdem er 2012 im Zuge einer außerehelichen Affäre seinen Hut nehmen musste. Syriens sunnitische Mehrheitsbevölkerung, so glaubt Petraeus, werde kein williger Partner im Kampf gegen den IS sein, "solange wir uns nicht verpflichten, sie gegen alle Feinde, nicht nur den IS, zu schützen". Eine Stabilisierung Syriens mit Baschar al Assad an der Spitze sei nicht denkbar, doziert Petraeus weiter. "Aber solange wir nicht wissen, was auf ihn folgt, sollten wir nicht so laut seinen Sturz fordern."

Neben den militärischen Bemühungen bereiten die USA derzeit auch eine neue diplomatische Initiative zur Beendigung des Bürgerkriegs vor. US-Außenminister John Kerry will diese Woche bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York Möglichkeiten einer politischen Lösung ausloten. Am Sonntag kam Kerry dazu mit dem iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif zusammen. Kerry will verschiedene Ideen für einen neuen Anlauf testen, nachdem der vor drei Jahren in Gang gebrachte UN-Friedensprozess erfolglos blieb. Sein Ziel: Russland, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar an einen Tisch holen. Denn während der Iran und Russland den umstrittenen syrischen Präsidenten Baschar al Assad unterstützen, helfen die Türkei und Saudi-Arabien syrischen Oppositionsgruppen.

In diesen Ländern gibt es gefährliche IS-Ableger
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Die Instabilität wird anhalten

Klar ist, ohne Russland wird es nicht gehen: Wenn sich Obama heute in New York mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft, wird es daher sowohl um militärische Absprachen, als auch um eine neue diplomatische Initiative gehen. Die Kooperation der Militärs dürfte sich darauf beschränken, russisch-amerikanische Zwischenfälle zu vermeiden, gerade jetzt, da Putin seine Präsenz im Westen Syriens ausbaut. Auf diplomatischem Terrain scheint Obama bereit, gemeinsam mit Putin und dem saudischen König Salman wiederzubeleben, was praktisch für tot erklärt worden war: einen Dialog Assads mit Oppositionellen.

Im Idealszenario der Amerikaner würde der Autokrat seinen Gang ins Exil aushandeln, ohne dass völlig zusammenbricht, was an staatlichen Institutionen noch funktioniert. Doch ob sich das durchsetzen lässt, ist fraglich. Die Instabilität in Syrien wird auch dann anhalten, wenn Putin eine konstruktive Rolle spielt.

Kanzlerin Angela Merkel, die sich der unkontrollierten Flüchtlingsbewegung ausgesetzt sieht, die der Konflikt in Syrien ausgelöst hat, denkt in ähnlichen Kategorien. Man dürfe den Gesprächsfaden zum umstrittenen syrischen Diktator nicht abreißen lassen. Was wie eine Kehrtwende der deutschen Syrien-Politik klingt, ist eher ein Stück Realismus und die Fortsetzung einer Strategie, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien einzudämmen. Auch der deutschen Regierungschefin ist klar, dass die staatlichen Strukturen des Assad-Regimes nicht zerstört werden dürfen wie im Fall des Irak. Das Chaos, das dann folgte, ist ihr eine Lehre.

(RP)
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