Düsseldorf Fracking wird zum Wahlkampf-Thema

Düsseldorf · Der SPD-Spitzenkandidat im Düsseldorfer Kommunalwahlkampf, Thomas Geisel, fordert einen Probebetrieb zur Erforschung der umstrittenen Technik. Damit widerspricht er NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Die Debatte um eine mögliche Fracking-Demonstrationsanlage in Nordrhein-Westfalen gewinnt an Schärfe. Gestern distanzierte sich die CDU-Landtagsfraktion von den Aussagen des Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneten Oliver Wittke. Der CDU-Politiker hatte am Vortag unter der Bedingung strengster Umweltauflagen grünes Licht für eine Fracking-Pilotanlage in NRW gefordert. Zuvor hatte bereits EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) eine solche Anlage in Deutschland vorgeschlagen.

Der energiepolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Kufen, ließ gestern eine schriftliche Erklärung verbreiten. Demnach fordert die Partei in NRW keineswegs Fracking. "Im Gegenteil. Für uns gilt der Koalitionsvertrag, in dem es heißt: Den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten lehnen wir ab." Zu einem Interview war Kufen nicht bereit. Damit blieb unklar, ob die CDU-Fraktion in NRW nun grundsätzlich gegen Fracking ist oder nur "den Einsatz umwelttoxischer Substanzen" ablehnt – also den beim Fracking weit verbreiteten Einsatz von Umweltgiften.

Ein wichtiger Punkt. Denn beim Fracking, das in den USA massenhaft eingesetzt wird, brechen die Förderunternehmen Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe auf. Dazu pressen sie einen Chemie-Cocktail aus Wasser, Sand und giftigen Substanzen mit hohem Druck ins Gestein. Dort entstehen dann Risse, durch die das Gas entweicht und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangt. Fracking-Gegner sehen in der Chemiekalien-Mischung untragbares Risiko für das Grund- und Trinkwasser. Allerdings konnte die Industrie bei der Zusammensetzung des Cocktails zuletzt Fortschritte erzielen und den Giftgehalt reduzieren. "Das Fracking von heute ist nicht mehr mit den Anfängen dieser Technik vergleichbar", sagte Oettinger.

Hinter vorgehaltener Hand haben der EU-Kommissar und Wittke unter NRW-Unionspolitikern deshalb auch mehr Zustimmung, als Kufens Erklärung glauben machen soll. Mehrere Abgeordnete des Landtags zeigen sich in Hintergrundgesprächen durchaus offen für das Thema, wollen aber öffentlich nicht genannt werden. Einer von ihnen hatte eine entsprechende Äußerung auch schon zum Abdruck freigegeben, dann aber auf Druck seiner Fraktionskollegen wieder zurücknehmen müssen.

Zu einer offeneren Haltung bekannte sich gestern auch der Spitzenkandidat der SPD im Düsseldorfer Kommunalwahlkampf, Thomas Geisel: "Fracking ist problematisch, ohne Zweifel. Aber die Technologie ist im Wandel, die Anzahl der giftigen Chemikalien, die dabei benutzt werden, wird reduziert", sagte der ehemalige Ruhrgas-Manager. "Man sollte auf jeden Fall einen Versuchsbetrieb angehen und Erfahrungen sammeln, das Thema auf keinen Fall tabuisieren." Damit widerspricht Geisel seiner Parteifreundin, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. "Wir halten Fracking in NRW nicht für den richtigen Weg", stellte Kraft gestern in der "WAZ" klar.

Bundesweit engagieren sich rund 30 Bürgerinitativen gegen Fracking. Sowohl die Bundes- als auch die NRW-Landesregierung haben zuletzt so scharfe Auflagen erlassen, dass selbst vorbereitende Forschungs- und Probebohrungen in der Bundesrepublik derzeit nicht möglich sind. Offenbar veranlasst die Krim-Krise viele Politiker jedoch dazu, noch einmal über das Thema nachzudenken. Deutschland deckt seinen Gasbedarf zu mehr als 35 Prozent mit Importen aus Russland. Die Sorge, Russland könne die Lieferungen als politisches Druckmittel gegen die EU einsetzen, wächst.

"Fracking kann uns eine riesige Chance bieten, in großem Stil unabhängig von russischem Gas zu werden. Wir brauchen so schnell wie möglich mehr Pilotprojekte, um das Potenzial von Fracking in Deutschland einschätzen zu können", sagte der stellvertretende Fraktionschef der CDU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs. Auch der Energiebeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Bareiß, meldete sich zu Wort: "Bei der Schiefergasförderung müssen wir um Akzeptanz werben, dabei kann ein Pilotprojekt helfen." Der Chef der Chemie- und Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, erklärte: "Andere Länder wären froh, wenn sie solche Bodenschätze hätten."

Einem Bericht der NRW-Landesregierung zufolge schlummern unter Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland bis zu 2100 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Damit könnte die gesamte Bundesrepublik für mehr als zwei Jahrzehnte versorgt werden. Energiemultis wie Exxon, die deutsche BASF-Tochter Winters-hall und lokale Stadtwerke haben sich in NRW 22 Claims gesichert: potenzielle Abbaugebiete, auf die sie nun ein Erstzugriffsrecht haben. Doch wegen der großen Widerstände in der Politik und der zuletzt massiv verschärften Auflagen haben die Unternehmen in NRW vorerst sämtliche Projekte gestoppt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort