Paris Der gescheiterte Präsident

Paris · Hollande ist zur Hälfte seiner Amtszeit so tief im Ansehen gesunken wie keiner seiner Vorgänger. Die Arbeitslosigkeit bekommt der Sozialist nicht in den Griff.

Es war eine harte Wahrheit, die François Rebsamen da aussprach. "Seien wir ehrlich: Wir sind gescheitert", sagte der französische Arbeitsminister vergangene Woche. Der weißhaarige Sozialist meinte die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, doch seine Worte konnten auch als Bilanz der ersten Hälfte der Präsidentschaft von François Hollande verstanden werden. Wollte der Staatschef, der heute genau zweieinhalb Jahre im Amt ist, den Erfolg seiner Politik doch ausdrücklich an den Arbeitslosenzahlen messen lassen. Die stiegen seit seinem Amtsantritt jedoch auf den Rekordstand von 3,4 Millionen. Und die nach langem Hin und Her beschlossenen milliardenschweren Entlastungen für Unternehmen brachten bisher noch nicht die erhoffte Erholung auf dem Arbeitsmarkt.

Der konservative Ex-Außenminister Alain Juppé senkte den Daumen: "Wir sind bei der Hälfte der Amtszeit, und ich sehe nicht, wie sich der Präsident noch einmal aufrappeln könnte." Aber auch unter Hollandes Sozialisten grassiert die Einschätzung, dass Hollande seine Präsidentschaft schon jetzt in den Sand gesetzt hat. Zusammen mit seinen Ministern denkt der Staatschef derzeit intensiv darüber nach, wie er das Ruder noch einmal herumwerfen kann. Der Sozialist will nicht in die Geschichte eingehen als der Präsident, der zum einen die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekam und zum anderen auch noch dem Front National den Weg bereitet hat. Die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen wurde bei der Europawahl mit 25 Prozent stärkste Kraft - weit vor den Sozialisten, die vor zweieinhalb Jahren sowohl die Präsidentschafts- als auch die Parlamentswahlen noch mit satten Mehrheiten gewonnen hatten.

Doch die Regierungspartei zerfleischt sich selbst: Drei Minister mussten Ende August ihren Hut nehmen, weil sie den unternehmerfreundlichen Kursschwenk der Regierung kritisiert hatten. In der Nationalversammlung muss Regierungschef Manuel Valls seither bei jeder wichtigen Abstimmung um die Mehrheit zittern, da mehr als 30 regierungskritische Sozialisten sich inzwischen systematisch enthalten. "Da ist es schwierig, Reformen durchzusetzen", sagt Hans Stark vom Französischen Institut für Internationale Beziehungen.

Auch er glaubt nicht, dass sich in der zweiten Hälfte von Hollandes Amtszeit noch viel bewegen wird. Inzwischen wird in Paris sogar schon offen über eine Auflösung der Nationalversammlung und vorgezogene Neuwahlen spekuliert, die allerdings mit ziemlicher Sicherheit dazu führen würden, dass der linke Präsident künftig mit einer bürgerlichen Parlamentsmehrheit regieren müsste.

Schon fast verzweifelt setzt Holland auf Hilfe von außen, um die eigene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Deutschland könne doch in den kommenden drei Jahren 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren, regte Wirtschaftsminister Emmanuel Macron unlängst an. Allerdings dürften deutsche Infrastrukturinvestitionen Frankreichs siechem Wirtschaftswachstum nicht wirklich auf die Beine helfen. "Aber es wäre immerhin ein Zeichen", gibt Stark zu bedenken. "Denn Wirtschaft ist auch Psychologie."

Seelenmassage ist auch gefragt, denn mehr als 80 Prozent der Franzosen haben laut Umfragen kein Vertrauen mehr in die Regierung. Und auch Hollande selbst, dessen Popularität mit 13 Prozent so niedrig ist wie die keines anderen Präsidenten seit Kriegsende, scheint nicht mehr so recht an einen Erfolg seiner Politik zu glauben: "Die Ergebnisse lassen auf sich warten. Ich weiß es, ich sehe es", gestand er im September ein. Aber an einen Rücktritt denkt der Staatschef nicht: "Ich werde das Mandat zu Ende führen, ohne mich um meine eigene Popularität zu kümmern." Erstmals präsentierte sich der Staatschef dabei nicht wie gewohnt optimistisch, sondern düster. Dazu trug sicher auch das kurz vorher erschienene Buch seiner früheren Lebensgefährtin Valérie Trierweiler bei, die in dem Bestseller schonungslos mit ihrem Ex-Partner abrechnet. Obwohl die Franzosen traditionell nachsichtig sind, was das Privatleben ihrer Spitzenpolitiker angeht, so haben die zu Jahresbeginn veröffentlichten Fotos des Staatschefs auf dem Motorroller, der die Schauspielerin Julie Gayet im Liebesnest nur wenige Hundert Meter vom Elysée entfernt besucht, doch viele schockiert.

(RP)
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