Paris François Hollande enttäuscht die Franzosen

Paris · Für einen französischen Präsidenten ist es eine seltene Übung: ein Auftritt vor der internationalen Presse. Nicolas Sarkozy, der ein gespanntes Verhältnis zu den Medien pflegte, hatte gegen Ende seiner Amtszeit gar keine Pressekonferenzen mehr gegeben. Sein sozialistischer Nachfolger versprach im Wahlkampf zumindest eine pro Halbjahr. Dieses Versprechen löst François Hollande heute ein. Sechs Monate nach seinem Amtsantritt will der Sozialist eine Bilanz seiner Reformen ziehen und seinen Kurs erklären.

Der scheint noch immer schwammig. Hollande ist in den Umfragen so schnell abgestürzt wie noch kein Präsident. Mehr als 60 Prozent der Franzosen sind unzufrieden. Während die Konjunktur stagniert, die Arbeitslosigkeit Höchststände erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit schwindet, ist unklar, wie der Präsident das Ruder herumreißen will. Trotz der dramatischen Lage hat Hollande großzügig die eigene Klientel bedient und sich mit symbolträchtigen, teuren Maßnahmen – wie die Teil-Rückkehr zur Rente mit 60 – zu profilieren versucht.

Um das gigantische Defizit 2013 abzubauen, setzte der Präsident in erster Linie auf Steuererhöhungen statt auf Einsparungen. Und als der ehemalige Manager Louis Gallois jetzt seinen Bericht vorstellte, der Frankreich einen "Wettbewerbsschock" verordnete, knickte die Regierung ein: Statt die Lohnnebenkosten für Arbeitgeber um 20 Milliarden Euro zu senken, wie Gallois vorschlägt, will die Regierung die Unternehmen lediglich ab 2014 über Steuergutschriften entlasten.

Gegenfinanziert werden soll das über zusätzliche öffentliche Einsparungen in Höhe von zehn Milliarden Euro sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die hatte bereits Sarkozy durchgesetzt. Doch Hollande hatte die Erhöhung als eine seiner ersten Amtshandlungen rückgängig machen lassen, um sie nun selbst wieder einzuführen. "Man spürt, dass die Franzosen eine Erklärung brauchen", zitierte "Le Monde" einen Regierungsberater.

(RP)
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