Paris/Bangui Frankreich droht nächster Krieg in Afrika

Paris/Bangui · Die frühere Kolonialmacht kommt von ihrer Rolle als afrikanischer Gendarm nicht los. Paris lädt heute 40 afrikanische Staatschefs zum Gipfel und bereitet den bevorstehenden Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik vor.

Auf dem Erinnerungsfoto im Elysée-Palast werden sie sich wohl alle um ihren französischen Gastgeber gruppieren — die 40 afrikanischen Staats- und Regierungschefs, die Präsident François Hollande nach Paris eingeladen hat. "Elysée-Gipfel für den Frieden und die Sicherheit in Afrika" hat Hollande das zweitägige Treffen überschrieben, das er heute mit großem Pomp eröffnen wird. Eigentlich wollte Paris bei dieser Gelegenheit die Weichen dafür stellen, dass die afrikanischen Staaten ihre Probleme künftig selbst lösen. Doch die blutige Eskalation in der Zentralafrikanischen Republik durchkreuzt das hehre Ziel.

Noch vor Gipfelbeginn verlegte Frankreich Truppen und Material in seine vom Chaos geprägte ehemalige Kolonie. "Wir müssen diese humanitäre Katastrophe beenden und die Sicherheit wieder herstellen", erklärte Außenminister Laurent Fabius. Frankreich habe rund 600 Soldaten in das Land entsandt, geplant seien 1200. Der Einsatz werde "in den kommenden Tagen" beginnen, sagte Fabius. Sobald der UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Resolution verabschiedet habe und der französische Präsident das Signal gebe, werde alles sehr schnell gehen.

Der von Frankreich eingebrachte Resolutionsentwurf sieht vor, dass die Franzosen die Truppen der Afrikanischen Union (MISCA) unterstützen und gemeinsam die Sicherheit und Stabilität vor Ort wieder herstellen. Dies soll auf der Grundlage von Kapitel VII der UN-Charta erfolgen, das den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik bat Frankreich derweil, unverzüglich einzugreifen, sobald die UN grünes Licht gegeben habe. Schon gestern machte Frankreich rund 250 Soldaten in den Straßen der Hauptstadt Bangui mobil. Dort war es im Morgengrauen zu schweren Kämpfen mit Dutzenden Toten und Verletzten gekommen. Die Soldaten sollen strategisch wichtige Einrichtungen sowie die Sicherheit der rund 100 noch in Bangui lebenden Franzosen schützen. Letztere wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben.

Frankreich sieht sich — nur elf Monate nach der Intervention in Mali — abermals militärisch in Afrika gefordert. Und das, obwohl Präsident Hollande eigentlich Schluss machen wollte mit der alten Rolle des "französischen Gendarmen" auf dem Kontinent und der Tradition des "Françafrique" — diesem undurchsichtigen und skandalverseuchten Geflecht französischer Politik- und Wirtschaftsinteressen im frankophonen Afrika. Dieses Phänomen bestand auch nach der Entkolonialisierung der 60er Jahre fort und wurde von mehreren Präsidenten gepflegt — in der Hoffnung, sich im Austausch gegen Militär- und Geheimdienstunterstützung wertvolle Rohstoffe zu sichern.

Die Zentralafrikanische Republik ist für Frankreich besonders wichtig: Das Land verfügt über gigantische Diamanten, Gold und Uranvorkommen und spielt in der Region eine "strategisch wichtige Pufferrolle", wie der Historiker Jean-Pierre Bat erklärt. Es ist zudem der einzige Staat, in dem Paris einst einen Verbündeten stürzte, den es zuvor mit an die Macht gebracht hatte: "Kaiser" Bokassa, der 1979 mit Hilfe des französischen Militärs aus dem Amt geputscht wurde.

Auch Jahrzehnte später kann Frankreich seine Rolle als Ordnungsmacht auf dem Kontinent offenbar nicht ablegen. "Alle Präsidenten, ob rechts oder links, wurden von der Geschichte eingeholt", sagt der Afrika-Spezialist Antoine Glaser. Das gilt nun auch für Hollande, dem keine besondere Affinität zu Afrika nachgesagt wird.

Und doch sind sich politische Beobachter und Parteien — mit Ausnahme der Extremen — in Frankreich einig, dass der Sozialist keine andere Wahl hat: Angesichts des blutigen Konflikts, der sich zu einem Völkermord ausweiten und die Nachbarstaaten destabilisieren könnte, dürfe Frankreich auf dem Kontinent nicht passiv bleiben — aus humanitären, historischen und wirtschaftlichen Gründen zugleich. Anders als in Mali will Paris diesmal aber nicht alleine vorpreschen, sondern nur die MISCA unterstützen und nur dort eingreifen, wo sich die Afrikaner nicht selbst helfen können.

(RP)
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