Stichwahl in Frankreich Klarer Sieg für Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen

Paris · Epochenwechsel in Frankreich: Das Land hat gewählt - und sich mit deutlicher Mehrheit für Emmanuel Macron entschieden. Der 39-jährige sozialliberale Pro-Europäer wird Frankreichs jüngster Präsident.

 Vor dem Louvre wird Macron wie ein Popstar gefeiert.

Vor dem Louvre wird Macron wie ein Popstar gefeiert.

Foto: ap, BC

Nach Auszählung von 99,9 Prozent der Stimmen erhielt der Gründer der politischen Bewegung "En Marche!" (In Bewegung), Emmanuel Macron 66,06 Prozent der gültigen Stimmen. Er gewann damit die Stichwahl um das Amt des französischen Staatspräsidenten klar und nahm die psychologisch wichtige 60-Prozent-Hürde.

Seine Rivalin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, kam auf knapp 34 Prozent. Die Chefin des Front National verdoppelte damit praktisch das Ergebnis ihres Vaters Jean-Marie Le Pen, der 2002 ebenfalls in die Stichwahl eingezogen war und damals 18 Prozent bekommen hatte. Le Pen holte nach Zahl der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Parteil. Es votierten demnach gut 10,6 Millionen Franzosen für die Kandidatin.

Laut Ministerium lag die Wahlbeteiligung bei knapp 75 Prozent. Vor zwei Wochen hatte sie bei 77,8 Prozent gelegen. Vier Millionen Franzosen entschieden sich in der zweiten Runde dafür, entweder einen leeren Wahlumschlag abzugeben ("weiße Stimme") oder ungültig zu stimmen - dem Ministerium zufolge ist das ein Rekordwert von 11,5 Prozent. Etwa 25,4 Prozent der Berechtigten blieben der Wahl ganz fern.

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Spannung in ganz Europa

Die Abstimmung war in ganz Europa mit großer Spannung und Nervosität verfolgt worden. Die 48-jährige Le Pen, die ihre Niederlage einräumte, hatte im Wahlkampf ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft versprochen und für ein Ende der Gemeinschaftswährung Euro als normales Zahlungsmittel geworben. Das hätte die Union ins Mark treffen können.

Somit wird der frühere Wirtschaftsminister und Investmentbanker Macron sechstes Staatsoberhaupt der Fünften Republik — und jüngster Präsident Frankreichs aller Zeiten. Er soll spätestens am 14. Mai die Amtsgeschäfte des scheidenden Präsidenten François Hollande (62) übernehmen.

"Ich kenne die Wut"

"Ich kenne die Wut, die Angst, die Zweifel, die ein großer Teil von Ihnen ausgedrückt hat", sagte Macron nach seinem Wahlsieg. Nun aber beginne ein neues Kapitel, eines der Hoffnung und des wiedergefundenen Vertrauens. Macron will die französische Wirtschaft mit Reformen wettbewerbsfähiger machen, damit sich sein Land in der Globalisierung besser behaupten kann. Zudem strebt er eine enge Partnerschaft mit Deutschland an.

Vor Tausenden jubelnden Anhängern am Pariser Louvre versprach der 39-Jährige, alles zu tun, damit Wähler in Zukunft nicht mehr für die Front National stimmen. Frankreich habe ein neues Kapitel seiner Geschichte aufgeschlagen. "Ich werde die Republik verteidigen."

Am Louvre erwarteten den Wahlsieger ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer, Pop-Musik in Disko-Lautstärke und die Hoffnung auf echten Neuanfang: Tausende Anhänger des künftigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron feierten am Sonntagabend auf dem Platz vor dem weltberühmten Museum den Wahlsieg ihres Kandidaten gefeiert.

Als Macro um kurz nach 22.30 Uhr zur Europahymne "Freude, schöner Götterfunken" die Bühne betritt, wird er wie ein Popstar gefeiert. "Emmanuel"-Rufe tönen durch die Nacht. Die Wahlparty Macrons, der mit 39 Jahren jüngster französischer Präsident aller Zeiten wird, erinnerte eher an ein Musik-Festival als an eine Wahlparty. Nach der Rede stiegen Macron, seine Frau Brigitte und das Wahlkampfteam sichtlich gerührt auf die Bühne. Anhänger riefen: "Brigitte, Brigitte!"

"Hoffnung" ist das Wort der Nacht

Das Wort des Abends lautete eindeutig "Hoffnung". Fast jeder, der trotz wenig frühlingshafter Temperaturen vor das Louvre-Museum gekommen war, sprach es aus. "Wir hatten jetzt Jahrzehnte lang Präsidenten, die rechts oder links waren, und die haben nichts erreicht", sagte der 28 Jahre alte Jura-Student Jesse Journo.

In aller Welt reagierten viele Spitzenpolitiker erleichtert auf den Wahlausgang. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Liberté, Egalité, Fraternité! Das hat Frankreich heute gewählt. Die Grande Nation war, ist und bleibt in der Mitte und im Herzen Europas." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte unserer Redaktion: "Der Wahlsieg Macrons hat den Populisten zumindest den Wind aus den Segeln genommen. Macron ist überzeugter Europäer und ein Politiker mit Visionen." Ratspräsident Donald Tusk schrieb: "Glückwunsch an das französische Volk, dafür, dass es Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gewählt hat anstatt die Tyrannei der Fake News". Auch US-Präsident Trump gratulierte: Er freue sich sehr auf die Zusammenarbeit mit Macron.

50.000 Sicherheitskräfte im Einsatz

Die deutsche Wirtschaft hofft nach Macrons Sieg auf Reformen: "Wenn sich der Reformstau in Frankreich in den kommenden Jahren auflösen würde, wäre das ein ermutigendes Signal für die wirtschaftliche Entwicklung Europas", erklärte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer.

Rund 47 Millionen Franzosen waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Fragen der inneren Sicherheit und der Kampf gegen islamistischen Terror hatten den Wahlkampf bis zuletzt bestimmt. In Frankreich gilt nach einer Serie schwerer Terroranschläge der Ausnahmezustand. Etwa 50.000 Sicherheitskräfte schützten die Stichwahl am Wochenende. Eine verdächtige Tasche löste Alarm aus, der zur kurzzeitigen Räumung des Hofs des Musée du Louvre führte, wo Macron den Wahlabend verbrachte.

Für zusätzliche Aufregung sorgte die Veröffentlichung von Daten, die offenbar bei einem Hackerangriff auf Macrons Wahlkampfmannschaft erbeutet worden waren. Hacker hätten sich Zugang zu privaten und beruflichen E-Mails von Mitarbeitern verschafft und Material zur Wahlkampffinanzierung und Verträge am Freitagabend online gestellt, erklärte Macrons Team. Die erbeuteten Unterlagen seien alle legal und zeigten die normale Funktionsweise eines Wahlkampfs — es würden aber auch gefälschte Dokumente verbreitet. Wer hinter dem Cyberangriff steckt, blieb zunächst unklar.

Mit der Wahl beginnt für Frankreich eine neue politische Ära. Die Bewerber der traditionellen Regierungsparteien — Konservative und Sozialisten — waren schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen ausgeschieden. Die gemäßigten Kräfte stellten sich anschließend hinter Macron, um eine Präsidentschaft Le Pens zu verhindern.

Marine Le Pen hat nach Zahl der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Front National erzielt. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen votierten mehr als zehn Millionen Franzosen für Le Pen, wie das Innenministerium am frühen Montagmorgen bekanntgab. Bei der ersten Runde vor zwei Wochen hatte Le Pen 7,7 Millionen Stimmen erhalten.

(RP)
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