Paris Frankreichs Atom-Konglomerat zerfällt

Paris · Areva, einst Stolz der französischen Industrie, wird zerschlagen. Die Kernkraft bleibt aber dominant.

Ein Zisterzienser-Kloster im spanischen Arévalo soll Anne Lauvergeon auf den Namen Areva gebracht haben. Der staatliche französische Atomkonzern sollte nach den Vorstellungen seiner ersten Chefin genauso stark und widerstandsfähig sein wie das Kloster in Kastilien. Doch im Gegensatz zu dem stolzen Kirchenbau aus dem 12. Jahrhundert zerfällt Areva nun schon 14 Jahre nach seiner Gründung. Die wichtige Reaktorsparte soll auf Druck der Regierung an den ebenfalls staatlichen Stromriesen EDF gehen, der sich aber nur widerwillig darauf einlässt. Denn der weltgrößte Atomkonzern ist ein Fass ohne Boden.

Im März verkündete Areva einen Rekordverlust von 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2014. Bis zu 6000 Stellen muss das Unternehmen streichen, davon mindestens 3000 in Frankreich. Es war nicht erst die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima, die den Niedergang des Konzerns einleitete. Schon vorher hatte sich abgezeichnet, dass der als modernstes AKW der Welt gepriesene Druckwasserreaktor EPR ein kommerzieller Flopp wird. Im finnischen Olkiluoto, wo der Meiler eigentlich 2012 an Netz gehen sollte, verzögert sich der Inbetriebnahme auf 2018; die Kosten explodierten von drei auf neun Milliarden Euro. Genauso düster sieht es auf der EPR-Baustelle in Flamanville am Ärmelkanal aus. Dort bemängelte die französische Atomsicherheitsbehörde ASN im April "sehr ernste Unregelmäßigkeiten" in der Stahldecke des Druckbehälters. Die Panne könnte auch andere EPR betreffen. Denn nach China, wo zwei weitere EPR entstehen, wurde derselbe Reaktordeckel geliefert.

"Das ist ganz klar der Todesstoß für den EPR", erklärt Yannick Rousselet von Greenpeace. Er fordert, den Bau sofort zu stoppen und stattdessen auf erneuerbare Energien zu setzen. Die Abkehr vom Atomstrom fällt Frankreich, das mit 58 Reaktoren der mit Abstand größte Atomenergieproduzent Europas ist, allerdings schwer. 75 Prozent des Stroms kommen aus den AKW, bis 2025 soll der Anteil auf 50 Prozent verringert werden. Wie, ist allerdings noch unklar, denn mit Fessenheim im Elsass soll nur ein einziger Meiler abgeschaltet werden. Und das auch nur, wenn ein anderer, beispielsweise in Flamanville, ans Netz geht.

Erneuerbare Energiequellen setzen sich dagegen in Frankreich nur langsam durch. Um den Strombedarf weiter zu decken, könnte die Regierung die Laufzeit der AKW einfach von 40 auf 50 Jahre verlängern und so die Altanlage am Netz lassen.

Lange hatte Areva, das weltweit 44 000 Mitarbeiter beschäftigt, mit Atomkraft aus einer Hand geworben: von der Uranproduktion über die Brennstäbe-Fertigung bis hin zum Kraftwerksbau. Für den Uran-Abbau betreibt der Konzern sogar eigene Minen im westafrikanischen Niger. Das zivile Atomprogramm des Landes war in den 70er Jahren aus dem militärischen entstanden. Präsident Charles de Gaulle hatte 1958 die atomare Bewaffnung der französischen Streitkräfte beschlossen. Sein Nachfolger Georges Pompidou trieb dann den Bau der Atomkraftsparte voran. Kein Wunder also, dass die Regierung auch heute noch in der Atomindustrie ein gewichtiges Wort mitredet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort