François Hollande ein Jahr im Amt Frankreichs glückloser Präsident

"Bon anniversaire, Monsieur le Président!" - diesen Glückwunsch wird François Hollande gut brauchen können. Am Montag war er ein Jahr im Amt. Hollande wirkt wie ein Arzt, der zwar die Diagnose ahnt, beim besten Willen aber kein Rezept hat.

Frankreichs Minister legen Vermögen offen
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War er vor zwölf Monaten noch mit 51,46 Prozent zum neuen französischen Staatspräsidenten und Nachfolger des konservativen Nicolas Sarkozy ins Amt gewählt worden, ist der Sozialist in den Umfragen inzwischen auf nur noch 25 Punkte abgerutscht — so tief, wie keiner seiner Vorgänger innerhalb so kurzer Zeit. Im Elysée-Palast herrscht daher alles andere als Feierstimmung, auch wenn sich der Präsident gelassen gibt.

"Sich nie beeindrucken lassen, seinen Weg gehen und sicherstellen, dass es der richtige Kurs ist" - so lautet Hollandes Devise nach einem Jahr an der Staatsspitze. Er habe in zehn Monaten mehr geschafft, als seine konservativen Vorgänger in zehn Jahren, beteuert der Staatschef und nennt in erster Linie drei große Reformen: Der Wettbewerbs-Pakt, der den Unternehmen Steuererleichterungen von 20 Milliarden Euro bringen soll; der Kompromiss der Sozialpartner über eine Lockerung des rigiden französischen Arbeitsrechts; die Gründung der Öffentlichen Investitionsbank, BPI.

Und doch zweifeln immer mehr Franzosen an demjenigen, der mit dem Wahlkampfspruch angetreten war: "Le changement, c'est maintenant" (Der Wandel — jetzt). Denn geändert hat sich bisher kaum etwas, im Gegenteil: Die Konjunktur stagniert seit fast zwei Jahren. Die Arbeitslosigkeit kletterte mit rund 11 Prozent auf den bisher höchsten Stand. Und die französischen Unternehmen zögern mehr denn je, zu investieren und einzustellen. "Frankreich steht am Abgrund", kommentiert etwa der berühmte Fondsmanager Edouard Carmignac.

Zwar hat Hollande viele Probleme richtig identifiziert, doch stellt sich die Frage, ob seine angewandten Rezepte geeignet und ausreichend sind, um die Krise einzudämmen und das Ruder herumzureißen. Tatsächlich steht die Regierung vor dem Dilemma, ohne Wachstum Arbeitsplätze schaffen zu müssen. Der Wettbewerbsfähigkeits-Pakt wäre zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, doch wegen bürokratischer Hürden fließt das versprochene Geld bisher nur zögerlich. Ein Konjunktur- und Arbeitsmarkteffet hat sich noch nicht eingestellt.

Auch die von Hollande angestoßene Flexibilisierung des Arbeitsrechts, wonach Firmen bei Auftragsflauten vorübergehend Kurzarbeit einführen und Löhne kürzen können, mag für Frankreich "historisch" sein, bleibt aber weit hinter den entsprechenden Reformen in Deutschland zurück. Der Plan wiederum, 100.000 "Zukunftsjobs" für arbeitslose Jugendliche zu schaffen, stößt bei Experten auf Skepsis, weil diese vom Staat subventioniert werden. Fest steht: Seit Hollandes Amtsantritt haben sich täglich fast 900 Franzosen beim Arbeitsamt eingeschrieben. Das Versprechen des Staatschefs, den Anstieg der Arbeitslosigkeit bis Ende des Jahres zu stoppen und danach zu senken, erscheint daher utopisch. Vor allem, weil die Wirtschaft nicht mehr wächst. Die EU-Kommission erwartet für dieses Jahr nurmehr ein Minus von 0,1 Prozent und sagt erst für 2014 ein mageres Plus von 1,1 Prozent voraus.

Das stellt auch Hollandes Defizit-Ziel in Frage. Zwar kann sich der Präsident, anders als seine Vorgänger, zu Gute halten, eine Konsolidierung der Staatsfinanzen zumindest anzustreben. Wegen der Konjunkturflaute wird daraus aber nichts: Statt der versprochenen drei Prozent erwartet Brüssel in diesem Jahr eine Neuverschuldung von 3,9 Prozent und hat Frankreich soeben weiteren Aufschub zum Defizitabbau gewährt. Ökonomen kritisieren, dass Paris bisher zu einseitig auf Steuererhöhungen gesetzt hat und zu wenig auf die Kürzung der überbordenden Staatsausgaben und Sozialabgaben.

Vor allem die Firmen fühlen sich gebeutelt: Mit einer Unternehmens-Steuer von gut 36 Prozent ist Frankreich ohnehin Spitzenreiter in Europa. Nun soll auch Hollandes symbolträchtigstes Wahlkampfversprechen, die umstrittene 75-Prozent-Steuer, den Unternehmen aufgebürdet werden. Der Verfassungsrat hatte die ursprünglich auf Einkommensmillionäre zugeschriebene Fassung gekippt.

Dieser Zickzack-Kurs enttäuscht viele Bürger, ebenso wie Hollandes Stil. Eigentlich wollte der Sozialist - nach dem polarisierenden Sarkozy - die Franzosen "einen" und das Land "beruhigen". Dies ist ihm spätestens seit dem monatelangen Streit um die Homo-Ehe gründlich misslungen. Kaum eine Frage hat die Franzosen in jüngster Zeit mehr entzweit, als diese. Auch das Image des "normalen Präsidenten" ohne Skandale ist dahin: Die berühmt gewordene Twitternachricht, mit der sich Lebensgefährtin Valérie Trierweiler kurz nach Hollandes Amtsantritt ungefragt in die Politik einmischte, stellte den Präsidenten bloß und die Republik auf den Kopf — ebenso wie die Affäre um die Schwarzgeldkonten von Ex-Minister Jérôme Cahuzac.

"Hollande, das furchtbare Jahr", titelte "Le Monde" zum Jubiläumstermin und urteilte angesichts des in den Umfragen abstürzenden Staatschefs: Dieser sei "in einer solchen Negativspirale gefangen, dass kein Meinungsforscher zu sagen wagt, wann er da wieder herauskommt." So dürften auch die kommenden Monate ungemütlich werden für den Präsidenten, auch wenn sein Mandat erst 2017 endet. "Eine Amtszeit wird am Anfang beurteilt und am Schluss sanktioniert", hat Hollande einmal gesagt. In diesem Fall scheint die Sanktion bereits gefallen: 61 Prozent der Franzosen wünschen sich schon jetzt Sarkozy zurück.

(csi/jco)
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