Rom Franziskus' Fruchtbarkeitsdialog mit Merkel

Rom · Rief die Bundeskanzlerin 2014 wirklich "ein bisschen wütend" den Papst an? So schreibt es eine italienische Zeitung.

Die gute Nachricht für Franziskus lautet: Man hört ihm zu, auch auf oberster Ebene. Der Papst hält beinahe täglich mehrere Reden. Aber es sind genau vier Wörter, die sich die Bundeskanzlerin aus der Rede herauspickte, die Franziskus im November 2014 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gehalten hat. Europa gleiche einer "nicht mehr fruchtbaren Großmutter", sagte Franziskus damals. Merkel war schockiert. Dass die mächtigsten Figuren des Kontinents den Worten des Papstes so genau lauschen, ist durchaus eine frohe Botschaft für das Oberhaupt der katholischen Kirche.

Wie nun aber das Flaggschiff der italienischen Tageszeitungen, der ehrwürdigen "Corriere della Sera" aus Mailand, berichtet, blieb es nicht bei Merkels Schock. Die Kanzlerin habe im Vatikan angerufen, um dem Skandal persönlich auf den Grund zu gehen. "Ein bisschen wütend" sei Merkel gewesen, erzähle Franziskus gern. In beinahe kindlicher Naivität habe die Bundeskanzlerin den 79-Jährigen Argentinier zudem gefragt, ob er wirklich denke, dass Europa "keine Kinder mehr machen" könne.

Zu schön, dieser von diplomatischen Irritationen nicht gänzlich freie Fruchtbarkeitsdialog. Nein, habe Franziskus versichert, Europa sei noch nicht am Ende. Gerade in den finstersten Momenten habe der Kontinent überraschende Reserven gezeigt. Wenn er am 6. Mai in Rom den Karlspreis erhalte, werde er Worte "großer Zuneigung" für Europa finden, versicherte er. Berlin atmete durch.

Nun gibt es im italienischen Journalismus das Phänomen, dass Protagonisten wörtliche Zitate in den Mund gelegt werden, die der Autor gar nicht aus ihrem Mund, sondern aus ihrem Umfeld gehört hat. Auch und sogar besonders beim Papst: Der 91-jährige Eugenio Scalfari, Gründer der Zeitung "La Repubblica", zitierte für seine spektakulären Franziskus-Interviews aus dem Gedächtnis, er hatte keine Aufzeichnungen gemacht.

Im Artikel des "Corriere" wird nicht überall klar, ob der Papst selbst oder seine Spin-Doktoren gesprochen haben. Die Bundesregierung rückte von der Darstellung der Zeitung ab. "Die Bundeskanzlerin kann sich an einen Anruf beim Papst nicht erinnern", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der "Corriere della Sera" bestätigte jedoch auf Nachfrage unserer Redaktion, dass das Zitat vom Papst stamme, dass also Franziskus selbst von einem Merkel-Anruf erzählte.

(RP)
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