Riad Frau am Steuer

Riad · Die Ultrakonservativen in Saudi-Arabien hatten alles versucht, um Frauen vom Autofahren abzuhalten. Nun ist das Symbol der Unterdrückung gefallen. Bis zur Gleichstellung ist es aber noch eine lange Fahrt.

"No women, no drive", hatte der saudische Social-Media-Aktivist Hischam Fegeeh vor vier Jahren den bekannten Bob-Marley-Song sarkastisch umgeschrieben und online gestellt. Nach über 14 Millionen Klicks ist seine Parodie auf das saudische Frauenfahrverbot nun Geschichte. Am Dienstagabend wurde das Verbot per Dekret vom saudischen König Salman aufgehoben. Saudische Frauen sollen nun einen Führerschein machen dürfen und erhalten damit das Recht, auch in Saudi-Arabien Auto zu fahren.

Saudische Frauenaktivistinnen und Politikerinnen feiern. Wie etwa Latifa al Schaalan, die erste Frau, die als Abgeordnete in den Schura-Rat eingezogen ist, ein Gremium, das dem König beratend zur Seite steht. Sie bricht im saudischen Fernsehen sogar in Tränen aus. "Um ehrlich zu sein, ich finde keine Worte, um das auszudrücken, was saudische Frauen empfinden, auch an Dankbarkeit für den König, der seinem Land einen Sieg geschenkt hat, für die Menschen- und besonders die Frauenrechte", sagt sie im saudischen Fernsehen.

Andere wie Frauenrechtlerin Sahar Nassif geben sich ebenfalls überschwänglich. Sie werde sich nun ihr Traumauto kaufen, einen schwarz-gelben Mustang Cabriolet, sagt sie. Damit kann sie aber noch nicht gleich losfahren. Laut dem Dekret sollen die zuständigen saudischen Ministerien innerhalb von 30 Tagen einen Plan erstellen, wie das Dekret umgesetzt wird. Spätestens im Juni nächsten Jahres ist es dann so weit, dass sich die saudischen Frauen ganz offiziell hinters Steuer setzen können. Doch schon wenige Stunden nach nach dem Bekanntwerden des Dekrets taten einige Frauen genau das. Ihre Fahrt dokumentierten sie per Video in den sozialen Netzwerken.

Manal Scharif war eine der Ikonen der saudischen "women2drive" Kampagne, die 2013 begann. Sie war vor fünf Jahren dafür ins Gefängnis gegangen, weil sie sich aus Protest gegen das Frauenfahrverbot ans Steuer gesetzt hatte und sich dabei filmen ließ. Heute blickt sie nach vorne. "Das war nur ein erster Tropfen, mit dem der Regen beginnt", schreibt sie in einer Presseerklärung. Und macht deutlich, wo die nächste Etappe des Kampfes der saudischen Frauen liegt: "Wir werden unsere Kampagne gegen die männliche Vormundschaft über die saudischen Frauen fortführen. Wir wollen nicht weniger als die volle Gleichheit zwischen Frau und Mann."

Die gebürtige Düsseldorferin Gisela Fischer lebt und arbeitet mit ihrem Mann und zwei Kindern in Riad. Ihren wirklichen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen - aus Angst vor Benachteiligung. Vor zwei Jahren kam sie nach Saudi-Arabien. Ihrem Mann wurde dort eine Stelle angeboten. Auch für ausländische Frauen galt bisher das Fahrverbot. Man müsse sich eine typische saudische Familie so vorstellen, erzählt Gisela Fischer: "Ein Mann, eine Frau und mindestens vier Kinder. Das eine Kind muss morgens zur Schule gebracht werden, das andere in den Kindergarten, die anderen beiden in die Universität. Die Frau möchte einkaufen gehen, während der Mann ins Büro muss - und nur er darf fahren. Am Nachmittag hat die Frau einen Arzttermin, die Kinder wollen zum Sport, vielleicht ist die Tochter auf einem Kindergeburtstag eingeladen - als Familienoberhaupt sind Sie als Mann dafür verantwortlich, dass die Frau und die Kinder überall hingebracht werden. Das ist eine logistische Herausforderung." Bisher habe sie viele Wege mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß zurückgelegt. Für längere Strecken gibt es Taxis oder andere Fahrdienste - bisher natürlich nur mit männlichen Fahrern.

In Saudi-Arabien muss bis heute jeder amtliche Schritt, den Frauen unternehmen, von einem männlichen Vormund, meist dem Vater oder dem Bruder, abgesegnet werden. Das ist die nächste Diskriminierungshürde, die die saudischen Frauenrechtlerinnen jetzt zu Fall bringen wollen. Immerhin, um einen Führerschein zu machen, bräuchten die saudischen Frauen keine Zustimmung eines männlichen Vormunds, heißt es.

Der saudische König Salman und sein Kronprinz Muhammed bin Salman erhoffen sich von dem neuen Dekret eine Verbesserung des saudischen Images im Ausland. Dabei agieren sie durchaus widersprüchlich. Im Innern des Landes geben sie sich als Reformer, auch im Wirtschaftsbereich. Was aber ihre Regionalpolitik angeht, zeigt sich die saudische Führung als absolute Hardliner - gegenüber ihrem Rivalen Iran, im Konflikt mit ihrem Nachbarn Katar und mit der eigenen schiitischen Bevölkerung im Osten des Landes sowie im blutigen Krieg im Jemen. Je mehr sie durch Reformen im Innern auch international punkten, umso mehr Unterstützung bekommen sie gegen den Iran und im Jemen-Krieg, hoffen der König und sein Kronprinz.

(RP)
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