Kolumne Mit Verlaub! Frau Jedermann macht Urlaub

Berühmte Frage aus US-Wahlkämpfen: "Würden Sie von diesem Kandidaten einen Gebrauchtwagen kaufen?" Bundeskanzlerin Angela Merkel tut alles dafür, dass viele Menschen daheim und im Ausland mit "Ja" antworten.

Ich habe mir lange die jüngsten Südtiroler Urlaubsfotos mit Angela Merkel angeschaut und angesichts nicht überraschender Wiederkehr des Gleichen, so wie Miss Sophie aus dem TV-Evergreen zu Silvester, gedacht: "The same procedure as every year". Und noch ein Déjà-vu: Die Kanzlerin trug karierte Bluse, Anorak, Mütze, Freizeithose in Einheits-Beige, dazu derbes, wandertaugliches Schuhwerk; im Sessellift neben ihr der Ehemann, das stille, tiefe Wasser Professor Joachim Sauer.

Dazu eine Überlegung: Könnte das Geheimnis von Merkels stupenden Sympathiewerten, die zuletzt sogar ein SPD-Ministerpräsident öffentlich beurkundet hatte, nicht zuletzt damit zu tun haben, dass die Frau so normal, so unprätentiös, so affärenabweisend wirkt? Erspähte man nicht auf einigen Fotos die Sicherheitskräfte im Diskretions-Abstand, könnte dazu so wie in jedem Urlaubssommer Merkels die Überschrift lauten: Herr und Frau Jedermann machen Ferien: Von Kopf bis Fuß auf Bequemlichkeit eingestellt, das ist ihre Welt. Kein Luxushotel, kein Bling-Bling, sondern ein Vier-Sterne-Haus, Zimmer mit Balkon und Blumenkasten.

Das Glamouröse, Pompöse ist dieser Frau so fremd wie - mit Verlaub, Frau Bundeskanzlerin - die brillante öffentliche Rede. Übrigens: Auch die Ex-Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl setzten mit ihren Ferien-Schnappschüssen Zeichen langweiliger Kontinuität: Schmidt als Skipper und Holzhacker am holsteinischen Brahmsee, Kohl als Kuh-Streichler und Ruderer am österreichischen Wolfgangsee. Ästheten rümpften ihre Nasen, den Bürgern war's recht so; auch weil sie sich in ihren Freizeit-Vorlieben wiedererkannten?

Neulich berichtete ein Ehepaar, das viele Wochen des Jahres in Frankreich verbringt, davon, wie sehr "La Merkel" im Nachbarland bewundert wird. Die Einfachheit des Ausdrucks, der Bienenfleiß, ihr dickes Fell lassen Franzosen an einen Slogan ihres Ex-Präsidenten Mitterrand denken: "La force tranquille" - "Die ruhige Kraft." Dass in der Ruhe die Kraft liege, wird gerne auch von manchem Zappelphilipp zitiert: Merkel lebt das Zitat politisch, privat und authentisch vor. Sie schläfert ein, bringt keinen Saal in Wallung, reißt niemanden vom Stuhl. Geschieht dies doch einmal, dann aus Höflichkeit oder CDU-Parteitags-Gruppenzwängen.

Vielleicht ist alles noch viel einfacher, wenn man die Popularität der Kanzlerin erklären will: Die berühmte US-Wahlkampffrage: "Würden Sie von diesem Kandidaten einen Gebrauchtwagen kaufen?" beantworten viele Deutsche und selbst Nicht-Deutsche im Falle Merkels mit: "Doch, ja."

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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