Analyse Frauen sind häufiger arm als Männer

Berlin · Das Statistische Bundesamt hat neue Daten zur Gleichstellung vorgelegt. Ergebnis: Frauen verdienten auch im vergangenen Jahr im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer - und müssen im Alter häufiger von geringen Renten leben.

Frauen in Deutschland sind mit einer durchschnittlichen Körpergröße von 1,65 Metern zwar 13 Zentimeter kleiner als der Durchschnittsmann. Sie bringt mit 68,1 Kilogramm auch ungefähr 15 Kilo weniger auf die Waage als er. Doch das kann leider nicht erklären, warum die Durchschnittsfrau im vergangenen Jahr weiterhin 22 Prozent weniger verdient hat als ihr männlicher Kollege. Die Experten des Statistischen Bundesamtes haben sich die Mühe einer Erklärung gemacht - und viele interessante Details über die großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen herausgefunden.

Wer verdient im Schnitt wieviel? Frauen haben 2013 im Schnitt 15,56 Euro brutto pro Stunde verdient, das waren 22 Prozent weniger als der Durchschnittswert der Männer (19,84 Euro). Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Hamburg, Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland besonders hoch (siehe Grafik). Seit Beginn der Datenerfassung 1995 liegt der Lohnunterschied damit durchgängig bei mehr als 20 Prozent. Deutschland liegt damit im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. In vergleichbar großen Ländern wie Frankreich und Italien liegt der Lohnunterschied bei nur 15 beziehungsweise sieben Prozent. Fast 18 Prozent der Frauen in Deutschland gelten als armutsgefährdet, weil sie weniger als 980 Euro monatlich zur Verfügung haben, aber nur 15 Prozent der Männer.

Warum verdienen Frauen immer noch deutlich weniger als Männer? 15 Prozentpunkte des Lohnunterschieds erklären die Experten mit "strukturellen" Unterschieden: Frauen sind häufiger in schlechter bezahlten Berufen tätig, ihre Erwerbsbiografie ist wegen der Kindererziehung häufiger unterbrochen, sie arbeiten häufiger nur Teilzeit, und sie haben weniger Leitungsfunktionen inne. Rechnet man alle diese "strukturellen" Ursachen heraus, verbleiben sieben Prozentpunkte Lohnunterschied, die sich statistisch nicht erklären lassen. Hier wird vermutet, dass Frauen viel geringere Gehaltsforderungen vorbringen als Männer.

Wie sieht es mit der Erwerbstätigkeit von Frauen heute aus? Der Anteil der Erwerbstätigen an allen Frauen hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich erhöht: von 56 auf heute 68 Prozent. Unter den Männern arbeiten unverändert knapp 80 Prozent. Fast die Hälfte aller Erwerbstätigen waren 2012 Frauen - allerdings arbeiteten 45 Prozent von ihnen nur Teilzeit, unter den Männern waren es neun Prozent. Die hohe Teilzeitquote der Frauen hat eindeutig mit der Kindererziehung zu tun, denn 69 Prozent aller Mütter mit minderjährigen Kindern haben Teilzeitjobs (und nur sechs Prozent der Väter). Wer aber über längere Zeit in dieser Teilzeitfalle verharrt, der verdient auch weniger: Der Bruttostundenlohn weiblicher Teilzeitkräfte beträgt mit 13,92 Euro noch weniger als der von Vollzeit-Arbeitnehmerinnen.

Wer zieht die Kinder groß? "Nach wie vor sind hauptsächlich Frauen für die Kinderbetreuung zuständig: Sie schränken ihre Erwerbstätigkeit ein, sind häufiger alleinerziehend und machen eine längere Pause nach der Geburt", sagt der Präsident des Bundesamtes, Roderich Egeler. Väter nehmen zwar zunehmend die zwei "Partnermonate" in Anspruch, die der Staat Paaren verspricht, die sich die Elternzeit teilen. In der Regel ist es aber die Mutter, die zwölf Monate Elterngeld bezieht, danach nimmt der Vater gern das Angebot an, weitere zwei Monate Geld vom Staat zu bekommen. In neun von zehn Fällen war der alleinerziehende Elternteil 2012 weiblich. "Alleinerziehen ist Frauensache", sagt Egeler.

Wie schneiden Frauen und Männer an Schulen und Hochschulen ab? Mit der Bildung und Ausbildung haben soziale Unterschiede zwischen Männern und Frauen wenig zu tun: Mädchen sind mit 54 Prozent an den gymnasialen Oberstufen heute schon deutlich stärker vertreten als Jungen mit 46 Prozent. "Im Bereich der Schulbildung haben die Mädchen die Jungen also bereits überholt", sagt Egeler. Mit steigendem akademischen Qualifikationsniveau nimmt der Frauenanteil aber ab: Zwar gingen 45 Prozent aller 2012 vergebenen Doktortitel an Frauen, doch nur 27 Prozent aller Habilitanten waren weiblich. Immerhin 20 Prozent der Professorenstellen haben heute Frauen inne, das sind neun Prozentpunkte mehr als vor zehn Jahren.

Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft? 2012 waren 29 Prozent der Führungskräfte in der Wirtschaft weiblich, ihr Anteil stieg damit in den vergangenen 20 Jahren nur um drei Punkte. Deutschland hat hier deutlichen Nachholbedarf: Im EU-Durchschnitt war 2012 jede dritte Führungskraft weiblich (33 Prozent), in Frankreich sogar 40 Prozent.

Und wie sieht es im Alter aus? Wer im Erwerbsleben wenig verdient hat, hat im Alter auch eine nur geringe Rente. Das rächt sich vor allem für alleinlebende ältere Frauen: Von ihnen müssen 25 Prozent mit weniger als 900 Euro monatlichem Nettoeinkommen auskommen, bei den Männern sind es dagegen nur 16 Prozent. Vor allem in Westdeutschland sind ältere Frauen häufiger auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. 44 Prozent aller Frauen über 65 Jahren lebten 2012 allein, unter den Männern waren es nur 19 Prozent.

Was leitet die Politik aus alldem ab? Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) kritisiert das nach wie vor hohe Lohngefälle zwischen Frauen und Männern: "Wir wollen die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern durchsetzen und werden dazu ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wirft der Regierung Untätigkeit vor. "Gleichstellung hat bei dieser Bundesregierung offensichtlich keine Priorität, nur im Schneckentempo geht es voran", kritisiert sie.

(mar)
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