Johannesburg Fremdenfeindlichkeit am Kap

Johannesburg · Das relativ wohlhabende Südafrika zieht Migranten aus ganz Afrika an. Willkommen sind sie nicht.

Solomon Amabo lebt jeden Tag mit der Angst. Seit zwei Jahren ist der Journalist aus Kamerun in Südafrika. In seinem Heimatland wurde er mit dem Tode bedroht und von der Polizei verprügelt, wie der 37-Jährige erzählt. Er sei nach Südafrika gekommen, weil ihn der Kampf gegen das rassistische Apartheid-Regime inspiriert habe. "Südafrika beschützt die Meinungsfreiheit, dachte ich."

Doch die Realität sieht anders aus: Im April gab es fremdenfeindliche Ausschreitungen in dem Viertel von Johannesburg, in dem Amabo lebt. "Sie schrien, Ausländer müssten verschwinden", sagt er. Amabo floh durch ein Fenster, als Menschen in seine Wohnung eindrangen. Geld oder Besitztümer konnte er nicht retten. Neun Menschen wurden getötet, Hunderte Geschäfte geplündert. Tausende Menschen retteten sich in Flüchtlingslager.

Flüchtlinge und Migranten aus afrikanischen Staaten machen sich nicht nur auf den Weg nach Europa, viele suchen in anderen Ländern des Kontinents Zuflucht. Im relativ wohlhabenden Südafrika wurden im vergangenen Jahr etwa 72.000 Asylanträge gestellt, so viel wie in keinem anderen afrikanischen Staat.

In Südafrika ist trotz des relativen Wohlstands des Landes ein Viertel der Bevölkerung arbeitslos, ein soziales Netz gibt es kaum. Der Zuzug von Menschen führt daher immer wieder zu Spannungen. Schlecht ausgebildete Migranten hätten kaum eine Chance auf eine Arbeitsgenehmigung, anerkannte Flüchtlinge hingegen schon, wie Loren Landau vom Zentrum für Migration und Gesellschaft der Universität Witwatersrand erklärt. Etwa 2,4 Millionen Migranten lebten der Internationalen Organisation für Migration zufolge 2013 im 53-Millionen-Staat Südafrika.

Die meisten Migranten kommen aus anderen afrikanischen Ländern - Simbabwe, Malawi, Angola, Somalia, dem Kongo - und fühlen sich meist nicht willkommen. Manche Aktivisten werfen den Südafrikanern Arroganz vor, hervorgerufen durch die starke wirtschaftliche Position des Landes und das Bedürfnis, die eigene Diskriminierung während der Apartheid-Ära zu kompensieren. "Sie sind arrogant und denken, sie seien besser als andere Afrikaner", sagt Jean-Pierre Lukamba vom "African Diaspora Forum", einer Migrantenorganisation. Die Menschen hätten vergessen, dass viele Staaten in Afrika während des Apartheid-Regimes politische Flüchtlinge aus Südafrika aufgenommen hatten.

Amabo, der noch auf den Ausgang seines Asylverfahrens wartet und daher keine Arbeitsgenehmigung hat, hält sich mit Übersetzerjobs, Unterricht und dem Handel mit Altmetall über Wasser. Er sei ausgeraubt und verprügelt worden, berichtet er. "Sie rauben gezielt Ausländer aus, denn sie wissen, dass wir angreifbar sind." Er blicke sich ständig um, während er durch die Straßen gehe.

"Migranten erleben tägliche Diskriminierung in Krankenhäusern, Minibus-Taxis oder seitens der Polizei", beklagt die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF). Nach den Unruhen im April nahmen die Behörden Hunderte von mutmaßlichen Angreifern fest, aber Medienberichten zufolge auch mehr als 1000 illegal eingereiste Migranten. MSF wirft der Regierung vor, Ausländer als Kriminelle darzustellen.

Teile des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses ANC benutzten Ausländer als Sündenböcke für Arbeitslosigkeit oder Kriminalität, sagt Loren Landau. Vor allem jetzt, wo die Beliebtheit des ANC sinke. Die Situation könnte sich noch verschlimmern, befürchtet sie. Denn 2016 stehen Kommunalwahlen an, und die Politiker buhlen mit allen Mitteln um Stimmen.

(dpa)
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