Gastbeitrag von Constantin Schreiber Liebe Muslime, lernt Deutsch!

Düsseldorf · In vielen Moscheen in Deutschland wird die Predigt ausschließlich auf Türkisch oder Arabisch gehalten. Unser Gastautor sieht darin ein großes Integrations-Problem.

Gastbeitrag von Constantin Schreiber: Liebe Muslime, lernt Deutsch!
Foto: Charles Yunck

Wie ist es, an einem Freitag in Deutschland in die Moschee zu gehen? Nicht zum Tag der offenen Moschee am 3. Oktober oder zu einer der interreligiösen Veranstaltungen, die es gibt, wenn sich die islamischen Gemeinden und die muslimischen Verbände von ihrer besten Seite zeigen wollen, sondern an einem ganz normalen Freitag, in einer ganz normalen Moschee. Hin und wieder probiere ich es aus. Verschiedene Städte, verschiedene Sprachen - ich möchte wissen: Wie offen ist die Welt, die ich betrete, wenn ich meine Schuhe ausziehe?

Hamburg-Sankt Georg im August. Ein schwieriges Pflaster. Nur wenige Meter vom Hauptbahnhof entfernt sind Plakate und Anzeigen nur noch auf Türkisch oder Arabisch zu lesen. Ich falle auf, ich bin der einzige erkennbare Deutsche. Orientalische Musik tönt aus einem Baklawa-Laden, der sich Al-Hay al-Arabi nennt, auf Deutsch: das arabische Viertel. Zur Gebetszeit bemerke ich, wie von allen Seiten Menschen in eine kleine Seitenstraße strömen. Vor dem Eingang der Centrum-Moschee bildet sich eine Schlange. Mindestens sechs Gebetsräume auf fünf Etagen, alle gefüllt bis auf den letzten Platz. Die Centrum-Moschee ist eine türkische Moschee, getragen vom Ditib-Verband. Aber es sind nicht nur Türken hier. Ich höre viel syrisches Arabisch, wahrscheinlich von Flüchtlingen. Auch zahlreiche Schwarzafrikaner sind gekommen.

Wovon die Predigt handelt, kann ich nicht sagen; sie wird auf Türkisch gehalten. Auf der Homepage der Moschee steht lediglich zu lesen: Unsere Internetseite wird erneuert. Wiedereröffnung 2014. Der Mann neben mir, den ich auf Deutsch frage, was der Imam erzählt, versteht kein Wort Deutsch.

Sprache als Barriere

Gehört der Islam zu Deutschland? Nach meinem Besuch in der Hamburger Moschee hatte ich - wie nach allen Moscheebesuchen - nicht den Eindruck, dass die Welt im Gebetsraum irgendetwas mit dem Deutschland draußen zu tun hat. Die Moschee könnte sich so überall befinden, in Ankara, Izmir oder Istanbul. Die größte Barriere für mich, einen Einblick in diese Parallelwelt zu erhalten, ist mit Sicherheit die Sprache.

Im Grunde ist es eine Selbstverständlichkeit: dass in Deutschland Deutsch gesprochen wird, auch in Moscheen. Ich wundere mich über die empörten Reaktionen. Wann immer ich das Thema der islamischen Predigt auf Deutsch als eine verbindliche Vorgabe anspreche, erreichen mich zahlreiche Zuschriften, die sagen: Auch in Kirchen werde doch Latein gesprochen. Ein Eingriff in die Religionsfreiheit sei diese Forderung nach Deutsch in Moscheen, schreiben mir regelmäßig viele Zuschauer. Ihre Empörung verstärkt jedoch nur den Eindruck, man wolle sich nicht in die Karten blicken lassen. Die Muslime wollten gar nicht Teil Deutschlands sein.

Überhaupt ist es vollkommen unpassend, das Grundgesetz an dieser Stelle heranzuziehen. Das Grundgesetz und die darin garantierte Religionsfreiheit entstanden vor einem ganz anderen historischen Hintergrund, dem Konflikt zwischen Luthertum und Katholizismus. Weder bei der Herausbildung der Religionsfreiheit noch bei der Schaffung des Grundgesetzes war es die Intention, Millionen Muslimen eine Religionsausübung wie im Nahen Osten in einer fremden Sprache zu garantieren. Die Väter des Grundgesetzes haben wahrscheinlich nie an eine gesellschaftliche Situation in Deutschland gedacht, in der sich religiöse Sprachinseln herausbilden. Es spielte in unserer Rechtsgeschichte bis jetzt keine Rolle.

Monokultur in Sankt Georg

Das Grundgesetz besticht durch seine geniale Struktur und ließe eine Lösung theoretisch zu. Grundrechte können eingeschränkt werden, wenn andere, höherrangige Ziele und Rechte es erfordern. Täglich diskutieren wir über Integration. Kein anderes Thema ist so präsent, so brisant.

Reicht das nicht, um ernsthaft darüber nachzudenken, ob Integration in die deutsche Gesellschaft ein höherrangiges Ziel ist als die arabische oder türkische Predigt in Moscheen? Wenn daran ein friedliches Zusammenleben in unserem Land hängt, ist für mich die Antwort klar: Integration schafft eine Eingriffslegitimation in die Religionsfreiheit - wie man es juristisch ausdrücken würde. Dabei geht es, das muss man immer wieder betonen, keineswegs um die Inhalte - da gilt die Religionsfreiheit in den Grenzen unserer freiheitlichen Ordnung ohnehin -, sondern nur um die Sprache.

In Sankt Georg hat sich eine Monokultur entwickelt, in der das andere ganz offensichtlich keinen Platz mehr hat. Das hat nur bedingt etwas mit Religion zu tun, aber auf jeden Fall mit der Sprache. Das wurde mir bei einem Treffen in Köln deutlich. Eine Sozialarbeiterin, die mit muslimischen Jugendlichen im Kölner Problemviertel Kalk arbeitet, erzählte mir von ihren Gesprächen mit Schulen, die die Zuwanderung vor große Herausforderungen stellt - weil Sprache und Religiosität eine bizarre Symbiose eingehen. Schülerinnen könnten de facto nicht am Unterricht teilnehmen, weil sie die Inhalte wegen fehlender Sprachkenntnisse gar nicht verstehen. Gleichzeitig schreiben sie sich während des Unterrichts Textnachrichten auf Arabisch, etwa: Dein Rock ist nicht islamisch genug.

Deutsch in der Moschee?

So verkehrt sich Unterricht an deutschen Schulen zu einem islamischen Tugendwettbewerb. Bei den Jungs sei es ähnlich. Die Lehrer sind hilflos. Sie können ihre Schüler nicht zwingen, Deutsch zu lernen; schlechte Noten erreichten wenig. Welche Wirkung hätte es, wenn die Schüler Deutsch an dem Ort sprechen müssten, der für sie eine größere Bedeutung im täglichen Leben hat als die Schule, in der Moschee?

Nun sollten wir natürlich aufpassen, mit dem Islam und den Muslimen nicht kritischer ins Gericht zu gehen als mit anderen Gruppen oder uns selbst. Auf meinen Reisen erlebe ich, wie etwa in Ägypten ein äußerst kontroverser öffentlicher Diskurs darüber stattfindet, was Islam heute bedeutet. Auch wenn ich dort mit streng religiösen Muslimen, etwa mit einigen Imamen, spreche, stelle ich fest, dass gläubige Muslime nicht unbedingt antiwestlich eingestellt sind oder gefährliche Ideen verbreiten. Im Gegenteil. Mir begegnen Menschen mit einem hohen moralischen Anspruch an sich und an die Gesellschaft, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen, mit einem besonderen Wertekanon, jenseits von Kopftuch und Gebet.

Auffallend aber ist: Diese Menschen und diese Diskussionen begegnen mir im Nahen Osten häufiger als bei uns in Deutschland. Es gibt Moscheen, die ihre Predigten ins Deutsche übersetzen und diese Texte im Netz bereitstellen. Das sind gute und richtige Initiativen, die ausgebaut werden sollten. Denn Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht kennen und nicht verstehen. Also ganz einfach, liebe Muslime: Predigt künftig auf Deutsch, und ich garantiere, viele Deutsche werden weniger Angst vor dem Islam haben.

(RP)
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