Berlin Gauck und Obama reagierten schnell, Merkel schwieg lange

Berlin · Terror oder Amok - die Kanzlerin wartete vor einer öffentlichen Reaktion erst die Ermittlungsergebnisse von München ab.

Der Bundespräsident drückte noch während der Suche nach den vermeintlich mehreren Attentätern von München sein tiefes Entsetzen aus - ohne sich auf eine Terror-Spekulation einzulassen. "In Gedanken bin ich bei allen Opfern und bei allen, die um einen geliebten Menschen trauern oder fürchten", erklärte Joachim Gauck am Freitagabend. Auch das Weiße Haus in Washington war kurz darauf mit einer Verurteilung der möglichen Terror-Attacke öffentlich präsent. Die Kanzlerin schwieg.

Sie hatte am Freitag gerade ihren Urlaub begonnen. Da sie, wie die Regierung betont, "immer im Dienst" sei, wäre es ihr ein Leichtes gewesen, sich ebenfalls mit einer ersten Stellungnahme an die Bevölkerung zu wenden. Zumal sie sich noch "in der Nähe von Berlin" aufhielt, wie aus Regierungskreisen verlautete. Schließlich hatte sich inzwischen auch US-Präsident Barack Obama persönlich zu Wort gemeldet und erklärt: "Deutschland ist einer unserer engsten Verbündeten, also bieten wir all die Unterstützung an, die es bei der Bewältigung dieser Lage nötig haben könnte."

Doch das einzige Regierungsmitglied, das noch am Freitag Abend Präsenz zeigte, war Kanzleramtsminister Peter Altmaier. Und der lag prompt daneben, als er beschwor: "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Terroristen ihr Ziel erreichen, nämlich unsere Gesellschaft zu verunsichern."

Merkel blieb bei ihrem Schweigen auch noch am Samstagvormittag. Da hatte ihr Innenminister Thomas de Maizière zum zweiten Mal seinen Versuch unterbrochen, Urlaub in den USA zu machen. Auch nach der Bluttat von Würzburg am vergangenen Montag war er nach Berlin zurückgekehrt, nun hatte er kurz nach der Ankunft in den USA erneut den Rückflug angetreten, um sich noch am Samstagvormittag mit den Chefs der Nachrichtendienste zu beraten. Kurz darauf trat das Sicherheitskabinett zusammen. Dieses informelle Gremium aus Kanzlerin, Kanzleramtsminister, Innen- und Außenminister hätte viel zu tun gehabt, wenn es sich in München tatsächlich um das Vorgehen einer möglicherweise islamistischen Tätergruppe gehandelt hätte.

Als sich im Kanzleramt die Türen für die interne Sitzung schlossen, lagen die Fakten über den reinen Amoklauf ohne extremistischen oder terroristischen Hintergrund bereits auf dem Tisch. So konnte Merkel denn ohne Spekulationen vor die Medien treten. Sie sprach über die "Nacht des Schreckens" und bekundete, die Regierung trauere "mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden".

Dabei zog Merkel sogleich einen Bogen über München hinaus. Der Abend und die Nacht seien "umso schwerer zu ertragen, als wir so viele Schreckensnachrichten binnen ganz weniger Tage hinnehmen mussten", woraufhin sie an den "menschenverachtenden" Anschlag von Nizza und den "unfassbar grausamen" Axtangriff bei Würzburg erinnerte.

Anders als die Fachpolitiker vermied es die Kanzlerin, politische oder gesetzliche Folgerungen anzusprechen. Es gehe jetzt darum herauszufinden, was genau hinter der Tat von München stehe. "Wir werden auch nicht ruhen, bis wir präzise wissen, wie sich der Täter von Würzburg radikalisierte", erklärte Merkel. Die Reaktionen aus dem Ausland zeigten, dass Deutschland "viele Freunde" habe im "Kampf gegen Gewalt und Terrorismus".

(may-)
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