Berlin Gauland wirft der Regierung Versagen vor

Berlin · Die Oppositionsparteien reagieren in einer Aussprache auf die Regierungserklärung. AfD-Chef Gauland vergleicht Merkel mit Churchill.

Die erste Regierungserklärung des neuen Kabinetts von Angela Merkel ist auch die erste Gelegenheit der Opposition, ihre Strategien gegen diese Regierung deutlich zu machen. AfD-Chef Alexander Gauland hat an diesem Mittwoch als Chef der größten Fraktion den ersten Zugriff. Und der Fan des historischen Großbritanniens startet mit dem Kriegspremier Winston Churchill, den er "wortgewaltig" nennt, im Gegensatz zu Merkel, von der er sich "ein bisschen mehr Pathos, Tiefgang, Visionen" gewünscht hätte. Sein erstes Lob ist vergiftet: Erstmals habe die Kanzlerin in einer Rede wieder von Deutschen gesprochen, das sei "der Erfolg der AfD".

Der AfD-Vorsitzende geht kaum auf die Rede ein, lieber auf seinen Gegenentwurf, der vom Gegensatz zwischen "50 Milliarden" für Flüchtlinge im Gegensatz zu Deutschen als Obdachlosen geprägt ist. Merkel spalte mit ihrer Flüchtlingspolitik Europa und begehe fortwährenden Rechtsbruch. Und als Gauland mit Reichskanzler Otto von Bismarck und dessen Skepsis gegenüber Europa schließt, liefert er gleich ein Stichwort für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, der Gauland Nachhilfeunterricht zu geben versucht: Im Gegensatz zu den Zeiten Bismarcks sei Frankreich heute unser Freund.

Doch in der Rangfolge der Fraktionsstärken sind zunächst noch die Liberalen und die Linken dran. FDP-Chef Christian Lindner versagt sich die scharfe Attacke, nutzt die wiederholten Merkel-Formulierungen von "ehrlich" und "Wahrheit" zu der Frage, was denn in den zwölf Jahren zuvor damit gewesen sei. Der Charakter von Merkels Kanzlerschaft bleibe offen. Und so lässt auch Lindner offen, wo die FDP opponieren will. Er erneuert die bemerkenswerte Positionierung aus den Jamaika-Verhandlungen, die für ihn eine "traumatisierende Phase" gewesen seien, an der Seite von CSU-Chef Horst Seehofer. Wenn dieser Recht durchsetzen wolle, werde die FDP ihn vor der SPD in Schutz nehmen.

Im Gegensatz zu den Liberalen gibt die Linke ordentlich Kontra, Fraktionschef Dietmar Bartsch geißelt den Verbalradikalismus Seehofers und warnt ihn vor Spaltung durch die Ausgrenzung des Islams. Die gar nicht so große Koalition sei eine "Notkoalition", die zu einer Verschärfung der sozialen Spaltung beitrage, und zwar mit "Flickwerk und Zoff". Ein "furchtbares Symbol" sei, dass deutsche Panzer durch das von Türken eroberte syrische Afrin führen. Hofreiter ruft dazu auf, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken, kündigt grundsätzlich andere Positionen zur Flüchtlings- und Sozialpolitik an und warnt die Koalition davor, erneut eine "schwarz-rote Trutzburg" zu bilden.

(may-)
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