Analyse Gaza ist Teil eines globalen Kriegs

Die Kämpfe um Gaza sind lediglich ein Mosaikstein in einer gewaltsamen weltweiten Auseinandersetzung, die auch Europäer und Amerikaner betrifft. Freiheitliche Werte müssen offensiv verteidigt werden.

Nach drei Kriegen innerhalb von sechs Jahren, nach Tausenden von Toten und Zerstörungen in Milliardenhöhe muss die Frage gestellt werden, weshalb bislang alle Versuche einer Beilegung des Gaza-Konflikts gescheitert sind. Die Antwort ist simpel: weil bis dato kein ernsthafter Versuch unternommen wurde, die Ursache des israelisch-palästinensischen Konflikts zu benennen und diese zu lösen. Stattdessen möchte man sich mit technischen Details wie Waffenruhen begnügen. Diese Versuche sind so nutzlos wie die Einnahme von Schmerzmitteln bei Zahnweh. Solange die Wurzel nicht behandelt wird, wird der Schmerz immer wieder ausbrechen. Die entscheidende Ursache des Nahost-Konflikts ist die Entschlossenheit islamistischer Mächte, beispielsweise: der Muslimbrüder, des Iran, der Hisbollah, der Hamas, des "Islamischen Staats" (IS), von Boko Haram, der Taliban, alle nicht-muslimischen Länder und Gruppen der Region zu vernichten. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen um Gaza sind lediglich ein Mosaikstein in einem globalen Krieg, von dem auch wir Europäer und selbst die Vereinigten Staaten betroffen sind. Die Anschläge in New York und Washington, die Attentate in London und Madrid sowie entsprechende Versuche in Deutschland sind Abschnitte dieser Auseinandersetzung, die viele im Westen nicht wahrhaben wollen.

Mit dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 und der Rückgabe der besetzten Sinai-Halbinsel an Kairo war eine entscheidende Bresche in die Feindschaft gegen den jüdischen Staat geschlagen. Ein Ende der Feindseligkeiten war möglich. Doch im gleichen Jahr eroberte in Iran das Mullah-Regime von Ayatollah Khomeini die Macht. Die schiitischen Fundamentalisten sind Gegner aller nicht-islamischen Staaten. Die USA gelten ihnen als großer Satan, Israel als kleiner. Taktische Bündnisse sind möglich. So importierte Teheran während des Krieges gegen den Irak Waffen aus Amerika und Zion. Die Feindschaft blieb bestehen. Das sollten die Israelis bald erfahren, denn Teheran half den Schiiten im Libanon beim Aufbau einer Untergrundmiliz, der Hisbollah. Diese verwickelte Israel bald in einen Guerillakrieg.

Damals beging Jerusalem einen weiteren gravierenden Fehler: Um ein Gegengewicht gegen die säkulare palästinensische Untergrundarmee Fatah und deren Chef Jassir Arafat aufzubauen, unterstützen die Israelis zunächst die Hamas, eine Tochterorganisation der ägyptischen Muslimbrüder. Die Hamas gab sich zunächst als soziale Organisation. Erst als sie im Gaza-Streifen und im Westjordanland genügend Jugendliche zum unversöhnlichen Judenhass getrimmt hatte, startete die Hamas einen bewaffneten Untergrundkrieg gegen Israel. Eine Innovation dieses Kampfes waren Selbstmordattentate.

Das hatte fatale Konsequenzen. Unter Juden und Arabern herrschte über Jahre allgemeine Angst. Israels Armee riegelte die besetzten Gebiete ab. Als Folge verloren Hunderttausende Palästinenser ihre schlecht bezahlte Arbeit in Israel. Beschäftigungslosigkeit und Armut in den palästinensischen Gebieten nahmen rapide zu, was zu einer weiteren politischen Radikalisierung im Sinne der Hamas führte. Spiegelbildlich wählten die Israelis den Hardliner Ariel Scharon zu ihrem Regierungschef. Doch der "Bulldozer" überraschte alle: Er ordnete den bedingungslosen Rückzug aus Gaza und die Räumung der dortigen jüdischen Siedlungen an.

Die Verkennung des Fundamentalismus der Hamas hatte das Gegenteil der erwünschten Wirkung zur Folge: die Hamas schaltete in einem brutalen internen Bürgerkrieg die Fatah in Gaza aus und führt seither einen unversöhnlichen Kampf gegen Israel. Dieser Krieg ist aufgrund seiner asymmetrischen Natur für Israel verloren. Denn militärische Siege zählen dabei nur wenig. Ungleich wichtiger ist die politisch-propagandistische Wirkung. Da die Hamas bewusst ihre Kämpfer und Waffen inmitten von Wohngebieten positioniert, fordern die israelischen Militärschläge fast zwangsläufig Opfer unter der Bevölkerung. Dies will die zivile Gesellschaft der westlichen Demokratien nicht tolerieren. So verliert Israel zunehmend die Unterstützung der Menschen im Westen. Gerade einmal sechs Prozent der Deutschen hegen Sympathie für die Position Israels im jüngsten Konflikt.

Dabei wird übersehen, dass sich die Feindschaft der Islamisten wie oben erwähnt nicht nur gegen Israel, sondern gegen die freiheitliche Gesellschaft des Westens insgesamt richtet. In Phasen wie nach den Anschlägen des 11. September 2001 raffen sich die Demokraten zu gemeinsamen Militäraktionen wie gegen das Talibanregime in Afghanistan auf. Doch die Zahl der damit verbundenen Opfer, die Dauer des Krieges und vor allem die Kosten ließen den westlichen Kampfeifer erlahmen. Hinzu kamen überflüssige Kriege wie jener gegen den Irak oder nicht eingehaltene Drohungen wie die gegen den Einsatz chemischer Massenvernichtungswaffen in Syrien. Dies alles führt zu einer sinkenden Glaubwürdigkeit der westlichen Entschlossenheit. Was wiederum fundamentalistische Gruppierungen wie die Hamas oder den IS in Syrien und Irak zu einem offensiven Kampf ermutigt.

Die westlichen Staaten können einen Beschwichtigungskurs einschlagen und Israel aufgrund des Gaza-Kriegs an den Pranger stellen lassen, wie dies gegenwärtig durch den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen offenbar beabsichtigt ist. Oder die freiheitlichen Demokratien gestehen sich ein, dass die islamistische Herausforderung auch sie betrifft. Die Antwort darauf sind in erster Linie politische und wirtschaftliche Maßnahmen. Der Westen muss seine freiheitlichen Werte und seinen Wohlstand offensiv verteidigen, sonst wird er in einer globalen Auseinandersetzung langsam, doch konsequent zermürbt.

Rafael Seligmann ist Herausgeber der "Jewish Voice from Germany".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort