Hanoi Geflohen, entführt, verurteilt zu lebenslänglich

Hanoi · Trinh Xuan Thanh aus Vietnam war Asylbewerber in Berlin. Dann wurde er nach Hanoi verschleppt.

Die vergangenen beiden Wochen hatte der 52-jährige Trinh Xuan Thanh morgens immer den gleichen Weg. Im Straflager B14, einem Sondergefängnis in Hanoi, wurden dem ehemaligen Chef des staatlichen Baukonzerns PetroVietnam Construction Handschellen angelegt. Zwei Volkspolizisten - einer links, einer rechts - brachten ihn dann in das Gericht im Zentrum der Hauptstadt.

Nach zwei Wochen Prozess wurde der vietnamesische Geschäftsmann, der vor ein paar Monaten noch ein einigermaßen sorgloses Leben in Berlin geführt hatte, gestern wegen Korruption und Wirtschaftsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt, wovon Thanh wenig überrascht schien.

Vietnams Kommunisten hatten nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Prozess auch der Abschreckung dienen solle - Korruption ist im boomenden Einparteienstaat Vietnam weit verbreitet. Gleichzeitig wurde auch Thanhs prunkvolles Leben geächtet. So war er, bevor er sich 2016 nach Deutschland absetzte und dort um Asyl bat, durch teure Autos aufgefallen. In Berlin pflegte er ebenfalls einen großzügigen Lebensstil - bis er im Sommer 2017 bei einem Spaziergang im Bezirk Tiergarten plötzlich verschwand.

Die Bundesregierung ist sich sicher, dass Thanh vom vietnamesischen Geheimdienst verschleppt wurde. Zwei vietnamesische Diplomaten mussten Deutschland deshalb verlassen, während vietnamesische Medien und Staat weiter darauf beharren, dass er sich freiwillig stellte. Anfangs forderte Berlin Thanhs sofortige Rückkehr. Zuletzt waren die Bemühungen vor allem darauf ausgerichtet, dem Ex-Manager ein Todesurteil zu ersparen.

Thanh kam gestern um die Maximalstrafe herum. Die Staatsanwaltschaft hatte schon in der ersten Prozesswoche darauf verzichtet, sie zu fordern. Dazu mag beigetragen haben, dass seine Familie einen Großteil der Summe, die Thanh abgezweigt haben soll, an den Staat zahlte. Auf diese Weise lassen sich in Vietnam Strafen mildern.

Auch weil Thanh in einem weiteren, morgen beginnenden Verfahren doch noch zum Tode verurteilt werden könnte, war seine Mutter Thi Ngoc Kha über das Urteil enttäuscht. "Ich bin sehr traurig und unzufrieden", sagte sie. "Sie werfen ihm das immer noch vor, aber mein Sohn hat kein Geld unterschlagen." Seine deutsche Anwältin Petra Schlagenhauf - die nicht nach Vietnam einreisen durfte - protestierte in Berlin dagegen, dass Thanh nach einer "verbrecherischen Entführung" nun ein "rechtsstaatswidriges Verfahren" gemacht worden sei.

(dpa)
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