Brüssel Generalstreik legt Belgien lahm

Brüssel · Den Demonstranten geht es um eine gerechtere Verteilung der Lasten.

Aus dem Einkaufswagen schlagen die Flammen. Das Feuer wärmt die Lagerarbeiter und die Verkäuferinnen, die an diesem Morgen nicht hinter den Kassen des Supermarktes, sondern auf dem leeren Parkplatz davor stehen. Einkaufswagen versperren die Zufahrt zum Einkaufszentrum im Brüsseler Vorort Kraainem. Es ist Generalstreik in Belgien; Lebensmittel sind in den großen Handelsketten nicht mehr zu bekommen.

Zu dem 24-stündigen Ausstand riefen Gewerkschaften ihre Mitglieder in allen Wirtschaftssektoren auf. Sie protestieren bereits seit einem Monat immer montags gegen die Sparpolitik der Mitte-rechts-Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Charles Michel. Als Generalprobe für den Streik wurden schon vor Wochenfrist Busse und Bahnen lahmgelegt, nun aber steht das ganze Land still: Kein Eurostar-Zug bricht von Brüssel in Richtung London auf. Unterricht findet nicht statt. Europas zweitgrößter Containerhafen in Antwerpen kann nicht angelaufen werden. 600 Flüge fallen aus, 50 000 Passagiere erreichen ihr Ziel nicht. "Nur ein Flieger mit einem Spenderorgan an Bord durfte landen, weil es ein medizinischer Notfall war", sagte Flughafensprecherin Nathalie Van Impe.

Das Sparpaket, mit dem die Regierung die Vorgaben des Euro-Stabilitätspakts einhalten will, wirft vor allem Fragen nach der sozialen Balance auf. Das Renteneintrittsalter soll von 65 auf 67 Jahre angehoben werden, die in Belgien über einen Index an die Inflationsrate gekoppelten Löhne sollen für zwei Jahre eingefroren werden. Gering bezahlte Teilzeitkräfte sollen weniger staatliche Zuschüsse erhalten. "Sicher muss gespart werden", meint Collin Roger, der am Flughafen normalerweise das Gepäck verlädt, "dass aber die kleinen Leute alles und die reichen nichts bezahlen, ist einfach nicht in Ordnung."

Ein Feuer gegen die Kälte brauchen die Streikenden am Flughafen nicht. Es gibt heißen Kaffee in der Filiale von Starbucks, wo der gewerkschaftliche Organisationsgrad nicht messbar ist. Aber auch wenn nicht jeder mitmacht, glaubt der Gepäckverlader Roger an den Erfolg - selbst wenn die Sparpläne vom Parlament verabschiedet werden sollten: "Das ist nicht das letzte Mal. Wir kommen wieder", sagt er.

(RP)
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