Tunis Generalstreik nachMord an tunesischem Politiker

Tunis · Die Spuren deuten auf eine Tat der Salafisten hin. Die Waffe soll zuvor bei einem Mord im Februar eingesetzt worden sein.

Nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Mohammed Brahmi sind gestern zahlreiche Menschen in Tunesien dem Aufruf zu einem Generalstreik gefolgt. Europäische Fluggesellschaften mussten nahezu alle Flüge in das nordafrikanische Mittelmeerland streichen. Die Auswirkungen im Flugverkehr dürften auch heute noch spürbar sein.

Der Abgeordnete Brahmi war am Donnerstag in einem Vorort von Tunis von Unbekannten auf der Straße erschossen worden. Der 58-Jährige gehörte in der verfassungsgebenden Versammlung dem linken, laizistischen Lager an und leitete die Partei "Bewegung des Volkes".

Die Flaggen in Tunis wehten auf halbmast. Präsident Moncef Marzouki hatte für den ganzen Tag Staatstrauer anordnen lassen. Es sollte ein Zeichen gegen Terrorismus und Gewalt gesetzt werden. Die Ermordung Brahmis löste auch international Bestürzung aus: Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den Mord als feiges Attentat. "Ich bin erschüttert", erklärte Merkel. Die Täter müssten zügig ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Das gelte auch im Fall Belaid.

Damit verwies die Kanzlerin auf die Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaid im Februar. Er wurde vor seinem Haus im Norden der tunesischen Hauptstadt erschossen. Dem Attentat auf Belaid folgten die größten Demonstrationen seit dem Sturz des Machthabers Zine el Abidine Ben Ali im Januar 2011.

Nach Angaben der Regierung könnte es eine Verbindung zwischen beiden Taten geben: Beide Oppositionellen seien mit derselben Waffe erschossen worden, sagte Innenminister Lotfi Ben Jeddou. Es gebe Hinweise, dass eine radikale Salafisten-Gruppe für beide Fälle verantwortlich sei. Es handele sich um eine Waffe mit Neun-Millimeter-Kaliber, so der Minister. Hauptverdächtiger sei der Salafist Boubacar Hakim, der wegen des Schmuggels von Waffen aus Libyen gesucht wird. Die Behörden verdächtigen insgesamt 14 radikalislamische Salafisten, in die Ermordung verwickelt zu sein. Die meisten von ihnen sollen zudem Mitglieder der lokalen radikalislamischen Gruppierung Ansar al Scharia sein.

Seit dem Sturz Ben Alis sind radikale Islamisten erstarkt und haben wiederholt Anschläge verübt. So steht der Salafisten-Führer Saifallah Ben Hassine im Verdacht, einen Angriff auf die US-Botschaft im September 2012 angestiftet zu haben, bei dem vier Menschen starben.

Die Bundesregierung appellierte an Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft, Besonnenheit zu wahren. Tunesien habe auf dem Weg der Demokratisierung wichtige Etappen zurückgelegt. "Möglich war dies durch die politische Reife und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten", heißt es in Merkels Erklärung. "Es darf nicht zugelassen werden, dass feige politische Gewalttaten den Weg des tunesischen Volkes zur Demokratie gefährden. Wir setzen unsere Hoffnung darauf, dass der demokratische Wandel gerade in Tunesien – der Wiege der arabischen Umbrüche – gelingen wird." Tunesien gilt als das Ursprungsland des Arabischen Frühlings.

(RP)
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