Analyse Generation Y – Glück schlägt Geld

Düsseldorf · Gut ausgebildet, aber ohne Plan und Biss? Es wird viel diskutiert über die Eigenschaften der 19- bis 34-Jährigen. Doch wer ist diese Generation überhaupt? Und was will sie bewirken? Eine Annäherung.

Einige bezeichnen sie als Alptraum, weil sie nichts so richtig könnten. Andere halten sie für verwöhnt, unpolitisch und wenig leistungsbereit. Mancher Älterer sagt, sie seien schlecht darin, sich zu hinterfragen, aber groß darin, sich selbst zu überschätzen. Gemeint sind die Mitglieder der Generation Y — Deutschlands neuer Problemgruppe.

Generation Y: Gesprochen wird das wie das englische "Why" (Warum?). Unter dieser Generation versteht man all diejenigen Heranwachsenden, die zwischen 1980 und 1995 geboren wurden. "Die Frage nach dem ,Warum?' ist prägnant für Menschen dieser Alterskohorte", erklärt der Bielefelder Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann — und ergänzt: "Altbekannte Normen und Werte werden von ihr nicht mehr als gegeben akzeptiert, sondern hinterfragt. Die traditionelle Welt wird auf den Kopf gestellt, die Frage nach dem Sinn des Seins und Tuns rückt immer mehr in den Fokus."

Dabei sind die zwischen 1980 und 1995 Geborenen, auch als Netz-Generation oder "Generation Maybe" ("Generation Vielleicht") bekannt, eine besondere Generation — und sich dessen selbst bewusst. Das zeigen Ergebnisse einer internationalen Studie der Ludwigshafener Professorin Jutta Rump, die das Institut für Beschäftigung und Employability leitet. Leistung und Lebensgenuss, schreibt Rump, gehörten für diese jungen Menschen — die Ypsiloner — untrennbar zusammen.

Geboren in den 80ern und 90ern, strömen die Ypsiloner seit einiger Zeit in die Unternehmen, wo sie die bislang kulturprägenden Babyboomer und die Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980) ablösen werden. "Wir wollen arbeiten. Nur anders. Mehr im Einklang mit unseren Bedürfnissen. Wir suchen Sinn und fordern mehr Zeit für Familie und Freunde", schreibt die Journalistin Kerstin Bund in ihrem erst kürzlich veröffentlichten Buch "Generation Y: Was wir wirklich wollen". Die 31-Jährige fordert eine neue Berufswelt mit mehr Flexibilität und Freiräumen — auch weil in der alten vor allem Frust herrscht. Fast jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland hat innerlich gekündigt, 67 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. Das geht aus dem aktuellen Engagement Index (Arbeitsindex) hervor, den das Meinungsforschungsinstitut Gallup veröffentlicht hat.

Seine Generation wolle den Frust hinter sich lassen, sagt Philip Riederle. Der 19-jährige Unternehmer, der mit eigenen Audio- und Videobeiträgen im Internet Geld verdient, tourt durch Europa, um den Unternehmen seine Generation zu erklären. Seine Antwort lautet: "Vor 20 Jahren strebten Berufseinsteiger drei Dinge an: Geld, Status und Macht. Heute geht es in erster Linie um Sinnhaftigkeit, Selbstverwirklichung und ein gutes Team." Auch Bund erklärt: "Was Glück stiftet, kostet nicht einmal Geld: Herr über die eigene Zeit sein. Selbstbestimmung ist das Statussymbol meiner Generation." Tugenden wie Fleiß und Ehrgeiz spielen dabei nach wie vor eine wichtige Rolle: In der jüngsten Shell-Studie, die Deutschlands Jugend alle paar Jahre unter die Lupe nimmt, war die Leistungsbereitschaft unter den Zwölf - bis 25-Jährigen die höchste, die je gemessen worden ist.

Dass die Generation Y so viel Wert darauf legt, Spaß an der Arbeit zu haben, heißt aber nicht, dass sie die ganze Zeit lachen will. Jeder dritte Berufseinsteiger unter 25 Jahren geht laut einer Befragung des Beratungsunternehmens Tower Watson davon aus, mit 70 Jahren oder später in den Ruhestand zu gehen. Während Firmenchefs die Rentenpläne der großen Koalition als "Sünde" gegen die jungen Menschen bezeichnen, glauben die Ypsiloner dem früheren Arbeitsminister Norbert Blüm den Satz "Die Rente ist sicher" längst nicht mehr. Ihr Protest ist bisher allerdings kaum vernehmbar. "Was daran liegt, dass die heute 19- bis 34-Jährigen zu pragmatisch sind", sagt Hurrelmann. Der Grund sei simpel: Wenn sich Proteste für den Ypsiloner nicht auszahlen, werde sie unterlassen. Zudem sei das Interesse für Politik auf einem historischen Tiefpunkt: Laut dem Soziologen schätzt sich nur noch ein Drittel einer Generation als politisch ein; in den 70ern seien es noch zwei Drittel gewesen.

Dabei haben die Ypsiloner einen Trumpf in der Hand, der ihren Eltern vorenthalten war: die Macht der Knappheit in einem Land, dem allmählich die Fachkräfte ausgehen. Bis 2030 fehlen der deutschen Wirtschaft laut Forschern der Prognos AG rund fünf Millionen Arbeitskräfte in nahezu allen Branchen. Schon heute sind 70 000 Ingenieursstellen zu vergeben. Auf der einen Seite steht damit eine Alterskohorte, die sich den Spaß nicht verderben lassen will — auf der anderen Unternehmen, die auf diese Menschen demografiebedingt angewiesen sind. Und so schreibt Bund: "Meine Generation kämpft also nicht für sich. Sie kämpft für eine Kultur, die allen nützt."

Zur Generation Y gehören sicherlich nicht alle nach 1980 Geborenen. So wie die 68er nur einen Bruchteil ihrer Altersgruppe ausmachten — und dennoch das Bild einer ganzen Generation prägten. Der typische Ypsiloner ist weder links noch rechts. Er oder sie lebt im weltweiten Netz, ist gut ausgebildet, aber ohne allzu feste Stelle — was auch, aber nicht nur, an den sich wandelnden Arbeitsverhältnissen liegt. Er passt sich an, achtet aber auf ein gutes Gleichgewicht zwischen Beruf und Freizeit. Menschen dieser Alterskohorte sind nicht unpolitisch, können aber mit der herkömmlichen Politik wenig anfangen. Und: Die Generation Y weiß, dass sie nicht ihr ganzes Arbeitsleben bei einem Unternehmen bleiben wird — was sie oftmals nicht als Gefahr, sondern als Chance sieht.

"Wer diese Menschen im Unternehmen halten will, muss ihnen deshalb Perspektiven bieten", sagt Hurrelmann. Sonst seien sie ganz schnell weg.

(RP)
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