Geplantes Freihandelsabkommen Experten warnen vor US-Gen-Nahrung

Berlin · Das geplante Freihandelsabkommen könnte nach Ansicht von Sachverständigen den Standard der Lebensmittelsicherheit senken. Der Bauernverband warnt vor einer Verlagerung von Jobs in die USA.

Während die EU-Kommission nachdrücklich eine Verschlechterung europäischer Lebensmittelsicherheit verneint, befürchten Experten durch das geplante Freihandelsabkommen mit den USA eine "Aushöhlung oder Abschwächung bestehender Standards". Dabei gehe es unter anderem um Umweltschutz, Tierschutz, Kennzeichnungspflichten und die Zulassung hormon- und genveränderter Lebensmittel, erläutert der Wiener Handelsexperte Nikolai Soukup in einer Stellungnahme für den Agrarausschuss des Bundestages. Dieser will heute in einer Anhörung die Auswirkungen des Abkommens auf Nahrungsmittel und Landwirtschaft in Deutschland untersuchen.

Die US-Regierung verfolge das Ziel, Barrieren zu beseitigen, die aufgebaut wurden, um Verbote gentechnisch veränderter Organismen durchzusetzen. So lautet die zentrale Aussage des Soukup-Gutachens, das unserer Zeitung vorliegt. Die US-Wissenschaftlerin Virginia Robnett wird den deutschen Parlamentariern von ihrer Sorge berichten, dass das europäische Regulierungssystem dem amerikanischen angepasst werde. Dies bedeute etwa auf dem Gebiet der Chemieindustrie, dass rund 700 neue Chemikalien, die Jahr für Jahr in den Handel gebracht würden, zuvor nicht auf ihre Giftigkeit getestet werden müssten.

Der Deutsche Bauernverband verweist darauf, dass der Einsatz hormoneller und antibiotischer Wachstumsförderer bei der Aufzucht von Tieren in der EU verboten, in den USA jedoch erlaubt sei. Auch bei den Anforderungen an die Hygiene der geschlachteten Tiere gebe es Unterschiede. In den USA sei eine nachträgliche Desinfizierung gängige Praxis, in der EU dagegen unzulässig. Als Ergebnis lägen die Produktionskosten der US-Konkurrenten bei 70 bis 80 Prozent der Kosten europäischer Erzeuger. Auch andere Umweltauflagen wie die Lagerung von Gülle und Mist seien in den USA nicht so streng und führten zu Wettbewerbsvorteilen.

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Foto: dpa, Andreas Gebert

Für den Bauernverband ergibt sich daraus die Gefahr, dass es bei einer Marktöffnung zu einer "Abwanderung heimischer Produktion in andere Länder mit niedrigeren Standards" kommen werde. Laut dem Beschäftigungsexperten Arnd Spahn drohe allein durch die kostengünstigere US-Rindfleischproduktion der Verlust von "wahrscheinlich mehr als hunderttausend Arbeitsplätzen" in der EU - möglicherweise seien sogar 300 000 Jobs betroffen.

Weitgehend einig sind sich die Experten in der Verurteilung fehlender Informationen über die Verhandlungen. "Die selektive und informelle Veröffentlichung von Dokumenten verschleiert eine ernsthafte und überprüfbare Bewertung der Auswirkungen", kritisiert der Rechtswissenschaftler Markus Krajewski. Auch die US-Wissenschaftlerin Robnett wendet sich gegen den "extremen und nicht notwendigen Vertraulichkeitsgrad".

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Foto: Ewa Studio/ Shutterstock.com

"Der Freihandel darf nicht zum Einfallstor für Lebensmitteldumping werden" sagt Ausschussvorsitzende Gitta Connemann (CDU). Hier habe die EU-Kommission die strikte Vorgabe, dass die in Europa erreichten Schutzmechanismen nicht aufgegeben oder verwässert werden. "Die Grundfrage ist allerdings, ob wir in Deutschland der EU-Kommission vertrauen", schränkt die Agrarexpertin ein. Deshalb sei "so viel Transparenz wie möglich wünschenswert".

(may-)
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