Düsseldorf Das Unglück trifft die Lufthansa doppelt

Düsseldorf · Der Flugzeug-Absturz gefährdet das ohnehin schon belastete Image der Fluglinie zusätzlich.

Deutschlands größte Airline steckt in der Krise. Jetzt muss die Lufthansa auch noch eines der schwersten Unglücke in der deutschen Luftfahrtgeschichte verkraften. Vor dem Hintergrund des unsäglichen Leids, das der Airbus-Absturz gestern über den französischen Alpen für die Angehörigen der 150 Todesopfer bedeutet, wirken die Folgen für die Lufthansa zwar banal. Aber die kommenden Wochen werden zeigen, dass der Absturz auch eine unternehmerische Katastrophe ist. Die Reaktion der Börse, wo die Lufthansa-Aktie gestern zwischenzeitlich um fünf Prozent nachgab, war nur ein Vorgeschmack.

Konzernchef Carsten Spohr (48) ist selbst gelernter Pilot und hat die Führung der angeschlagenen Airline vor nicht einmal einem Jahr übernommen. Seine Mission: Er muss das ehemalige Staatsunternehmen fitmachen für einen Wettbewerb, der die Lufthansa inzwischen zu zerquetschen droht.

Auf der einen Seite kämpft Spohr gegen die arabischen Fluggesellschaften, die dank üppiger staatlicher Subventionen mit exklusivem Service zu günstigen Preisen punkten. Auf der anderen Seite sitzen ihm Billigflieger wie Ryanair und Easyjet im Nacken, die im Gegensatz zur Lufthansa keine teuren Konzerntarife haben und deshalb billiger fliegen.

Ausgerechnet die Lufthansa-Tochter Germanwings, die den Unglücks-Airbus betrieben hat, ist für Spohr nun die entscheidende Plattform zur Neuausrichtung des Konzerns: Das in Köln ansässige Unternehmen, das der Lufthansa seit 2009 vollständig gehört, ist seine Brücke ins Billigflug-Segment.

Weil die gut 2000 Mitarbeiter der Tochter weniger als ihre Kollegen im Lufthansa-Konzerntarif verdienen, fliegt Germanwings rund 20 Prozent günstiger als die Lufthansa. Also übertrug Spohr der in Köln ansässigen Tochter immer mehr Flugverbindungen. Zulasten der "klassischen" Lufthanseaten im Mutterkonzern - was die tiefere Ursache für die Serie von Streiks ist, mit der die Lufthansa-Piloten und zum Teil auch das Kabinenpersonal die Passagiere schon seit Monaten traktieren. Ab diesem Frühjahr soll Germanwings für die Lufthansa fast das gesamte Europa-Geschäft übernehmen, in dem die Lufthansa selbst wegen ihrer hohen Kosten jahrelang rote Zahlen geschrieben hat.

Aber Germanwings ist nur der Anfang. Die zweite Lufthansa-Tochter Eurowings fliegt nochmals um 20 Prozent günstiger, weshalb Germanwings ab Herbst in Eurowings aufgehen soll. Diesen Beschluss hat Spohr lange vor dem Unglück bekannt gegeben - den Vorwurf, mit der Marke Germanwings auch das Unglück vergessen machen zu wollen, kann man ihm also nicht machen. Aber ein anderer Vorwurf wird derzeit laut: Bedeutet die ganze Sparerei am Ende nicht doch auch ein Sicherheitsrisiko?

Konzerninsider sagen Nein. Weder an der Wartung der Flugzeuge noch an der Schulung der Piloten werde gespart. "Das ist alles Lufthansa-Niveau, egal bei welcher Tochter", sagt ein Mitglied aus dem Germanwings-Aufsichtsrat, das sich namentlich aber nicht zitieren lassen will. Warum eigentlich nicht? "Wegen des Unglücks. Wir haben jetzt ein sehr striktes Kommunikationsmanagement." Selbst die Wettbewerber attestieren Germanwings hinter vorgehaltener Hand ein zuverlässiges Sicherheitsmanagement. Und dass "billig" in der Luftfahrt nicht automatisch "gefährlich" bedeutet, zeigt das Beispiel Ryanair: Beim wohl radikalsten aller Billigflieger gab es bislang so gut wie keine Zwischenfälle.

Aber das Image einer Airline hat nicht nur mit Fakten zu tun. Bislang gehörten technische Sicherheit und organisatorische Zuverlässigkeit zum Lufthansa-Markenkern. Für Spohr war es schon schwierig genug, dieses Image auch auf die Tochter Germanwings zu übertragen. Dass ihm dies auch bei der Etablierung seiner neuen Eurowings-Strategie gelingt, ist nach dem gestrigen Unglück fraglich. "Für die Lufthansa entsteht ein erheblicher Vertrauensschaden, der auch nicht ohne Weiteres wieder zu bereinigen ist", sagt der Analyst Jochen Rothenbacher von der Equinet-Bank. Nötig wäre es: Die Bilanz der AG wies zuletzt einen Verlust von 732 Millionen Euro aus.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort