Paterson Glauben an Allah in Trumps Amerika

Paterson · Wird der neue Präsident umsetzen, was er im Wahlkampf versprochen hat? Falls ja, hoffen die Muslime auf den Widerstand der Bürger.

Es ist ein wirres Pamphlet, das Jim Sues aus einem Kuvert zieht und über den Tisch reicht. Von Spionage und Terrorismus ist darin die Rede. Ein Ordensbruder namens Fred fordert mit erhobenem Zeigefinger dazu auf, einen Geheimschwur zu leisten. Worauf, das wird nicht ganz klar. Aufgegeben wurde der Brief in Anchorage in Alaska, von einer obskuren Organisation namens Global Security Bureau. "Nun, das Englisch könnte besser sein", sagt Sues mit ironischem Unterton. Doch so gelassen er wirkt, er macht sich sorgenvolle Gedanken wegen der Kreuzritter-Symbolik und der merkwürdigen Symbole hinter den Internet-Adressen, die in dem Brief stehen. Es handelt sich um eine Drohung, so viel scheint klar.

Sues war einst beim Computerriesen IBM beschäftigt, heute leitet er das Büro von CAIR im Bundesstaat New Jersey. Der Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen unterstützt Muslime, wenn sie sich diskriminiert fühlen. An der Wand des schmucklosen Büros in der Kleinstadt South Plainfield hängt ein Plakat, das eine junge, lächelnde Frau mit Kopftuch zeigt. "Ich bin Amerikanerin, und ich bin Muslima", steht über dem Bild. Sues, aus Kalifornien stammend, ist vor über 20 Jahren zum Islam übergetreten.

Hasserfüllte Rhetorik gegen Muslime gebe es nicht erst seit der Wahl von Donald Trump, sagt er. Aber er habe den Eindruck, die Wahl des Populisten zum Präsidenten habe irgendwie eine Schleuse geöffnet. Noch sei wenig passiert, sagt Sues. Doch die Telefonanrufe häuften sich, Anrufe von Muslimen, die verunsichert seien, weil sich der Ton in der Gesellschaft verändert habe. Sues ist kein lauter Ankläger, er bevorzugt das leise Understatement. Er sagt, er habe immer noch die Hoffnung, dass Trumps schrille Wahlkampfparolen nicht mehr als Kneipengeschwätz waren, dass der Mann nach seinem Amtsantritt eine andere Politik betreiben würde. "Ich hoffe darauf, dass Trump seine Versprechen bricht", sagt Sues.

Es ist allerdings eine ganze Menge an Versprechen, die Trump dann brechen müsste. Scharfe Rhetorik gegen Muslime zog sich wie ein roter Faden durch seinen Wahlkampf. Vor gut einem Jahr behauptete er, er habe gesehen, wie in Jersey City Tausende Menschen am Tag der Terrorattacken am 11. September 2001 jubelten, als die Zwillingstürme des World Trade Centers einstürzten. Belege legte er nicht vor, das tut er ohnehin selten, und niemand konnte sich an Jubelfeiern in Jersey City, in Sichtweite der Türme an der Südspitze Manhattans, erinnern. Nach den Terroranschlägen von Paris sprach Trump dann plötzlich von einer Datenbank, in die alle Muslime der USA aufgenommen werden sollten. Schließlich, nach dem Attentat von San Bernardino in Kalifornien, forderte er einen vorläufigen Einreisestopp für Muslime aus dem Ausland.

Was der Rhetorik an Taten folgt, das ist alles noch unklar und unscharf. Intellektuelle wie Moustafa Bayoumi treibt die Angst um, dass die von Trump geschürte Hysterie in drakonische Schritte münden könnte. "Es fühlt sich an, als seien wir nur einen Terroranschlag entfernt von der Verhängung des Kriegsrechts", schreibt der Englisch-Professor aus New York. Sues macht sich Sorgen, weil der künftige Sicherheitsberater des Präsidenten, der Ex-General Michael Flynn, den Islam einmal als Krebsgeschwür bezeichnete. Andererseits vertraut er auf eine Zivilgesellschaft, die rote Linien ziehen wird. Der "Star-Ledger", die größte Zeitung New Jerseys, hat neulich in einem Leitartikel geschrieben, falls das mit der Datenbank für Muslime ein Versuchsballon sei, "dann müssen wir alle Muslime sein". Jeder Amerikaner, der etwas auf sich halte, sollte sich in so ein Register eintragen lassen. "Wenn 300 Millionen Amerikaner die drei Millionen Muslime unter uns umarmen, was kann Trump dann schon für Unheil anrichten?"

Es sind Sätze, die auch Mohammed Khairullah gefallen. Zivilcourage, einfallsreiche Proteste, solche Dinge schätzt er an Amerika. "Und beweist meine eigene Biografie nicht auch, was alles möglich ist in diesem Land?" Khairullah, 41 Jahre alt, geboren im syrischen Aleppo, ist Bürgermeister von Prospect Park, einer Kleinstadt, von deren Hügeln der Blick auf die Wolkenkratzer Manhattans geht. Führt er durchs Rathaus, einen unscheinbaren Würfel, sieht man schon an der Fotogalerie seiner Amtsvorgänger, was sich alles geändert hat in Prospect Park.

Gegründet wurde die Siedlung von Einwanderern aus den Niederlanden, und bis vor Kurzem waren es zumeist Männer mit holländisch klingenden Namen, die im Bürgermeistersessel saßen: Struyk, Touw, Trommelen. "In meinem Namen finden Sie Mohammed und Allah vereint, dennoch haben sie mich zum Mayor gewählt", sagt Khairullah und schmunzelt. Als er 1994 bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmachen wollte, redete er solange auf die Ratsmitglieder ein, bis sie überzeugt waren, dass man dem jungen Mann das Löschen von Bränden durchaus zutrauen konnte, auch ohne amerikanische Staatsbürgerschaft. Sogar eine städtische Verordnung wurde geändert, damit Khairullah die Uniform anziehen konnte.

Als er sich im November 2001, nunmehr eingebürgert, um das Amt des Rathauschefs bewarb, waren seit dem New Yorker Terrorinferno gerade mal zwei Monate vergangen. Dennoch gewann er die Wahl, "die Leute kannten mich doch, Angst hatten sie nicht vor mir", sagt der lockere Typ, der zu Jackett und Krawatte Jeans und Turnschuhe trägt. Auch aus dieser Erfahrung heraus, sei er Optimist, auch unter Trump, meint Khairullah.

In Paterson, einer Stadt in New Jersey, in der viele Palästinenser leben, ist in der örtlichen Moschee gerade das Freitagsgebet zu Ende gegangen. Aref Assaf spricht von seiner Tochter. Die Vierzehnjährige hat ihn neulich gefragt, ob sie nach Kanada ziehen, bevor Trump sie aus dem Land werfe. Nächstes Jahr, am 20. Juli, feiert Assaf den Tag, an dem er zum ersten Mal amerikanischen Boden betrat. Vierzig Jahre ist das her, heute lehrt er an einer Universität Rechtswissenschaften. Und plötzlich gebe man einem wie ihm zu verstehen, dass er auf Grund seines Glaubens kein Amerikaner sein könne. Es sei Trumps hässliche Kampagne gewesen, die solche Stimmungen aus der Tiefe nach oben gebracht habe, und das beunruhige ihn sehr.

An Assafs Seite tritt in diesem Moment ein Mann mit sorgfältig gestutztem, grauem Vollbart, weiße Gebetsmütze, blaues Sakko. Es ist der Imam der Moschee von Paterson, ein geachteter Mann in der Gemeinde und seit Jahren ein Fall für die Gerichte. Mohammad Qatanani ist 52 Jahre alt und kämpft seit 1999 gegen seine Abschiebung. Die Behörden, sagt Qatanani, legten es immer wieder gegen ihn aus, dass er vor über zwei Jahrzehnte einmal für drei Monate in israelischer Militärhaft gesessen habe, diesen Umstand aber nicht in den Einwanderungsformularen erwähnt habe. Zweimal schon hat der Geistliche Recht bekommen, zweimal legte das Ministerium für Heimatschutz Einspruch ein.

In diesen Tagen wird ein drittes Mal in der Sache verhandelt, und ein wenig bange ist Qatananis Anhängern schon, weil sie nicht wissen, ob sich der Richter vielleicht von Donald Trumps Wahlsieg beeinflussen lässt. Der Jurist Assaf, der als Sprecher des Predigers fungiert, spricht von einem wichtigen Test für das Land. "Würde man den Imam abschieben, dann wäre dies ein Signal in die ganze Welt hinaus, dass Muslime in den USA nicht willkommen sind."

(RP)
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