Analyse Glücklose US-Diplomatie im Nahostkonflikt

Düsseldorf · Seit Jahrzehnten setzen die USA als Vermittler im Nahostkonflikt auf das Prinzip "Land gegen Frieden". Damit gelangen zwar Fortschritte, aber nie ein wirklicher Durchbruch in der Palästinenserfrage. Inzwischen tendiert die Kompromissbereitschaft beider Seiten gegen Null.

Fast jeder amerikanische Präsident seit dem Krieg hat versucht, im Nahost-Konflikt zu schlichten. Gelungen ist es keinem. Trotzdem führt beim Ringen um einen dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern an Washington auch weiterhin kein Weg vorbei. Wenn überhaupt, dann sind nur die USA in der Lage, Israel zu Zugeständnissen zu bewegen und gleichzeitig für die Sicherheit des jüdischen Staates zu garantieren.

Seit den 70er Jahren bauten die Amerikaner auf das Prinzip "Land gegen Frieden". Anwendung fand es zunächst 1978 im Abkommen von Camp David, das der damalige US-Präsident Jimmy Carter vermittelte. Israel gab den besetzten Sinai an Ägypten zurück, im Gegenzug unterzeichneten beide Länder einen Friedensvertrag. Damals war die Hoffnung groß, Camp David könne zur Blaupause für eine Aussöhnung von Israelis und Palästinensern werden - also einen Deal, bei dem Israel seine Anerkennung als Staat und Garantien für seine Sicherheit eintauscht gegen die Abtretung von Land für die Gründung eines eigenen Palästinenserstaats.

Bereits 1974 erwähnte eine UN-Resolution dieses Prinzip einer Zweistaatenlösung. Spätere Resolutionen präzisierten, dass bei einer entsprechenden Lösung die bis zum Sechstagekrieg von 1967 bestehenden Grenzen zwischen Israel und Palästina zur Anwendung kommen sollten. Seither wurden Generationen von Diplomaten bei dem Versuch verschlissen, eine Zweistaatenlösung zu verhandeln. Nach dem Golfkrieg von 1991 versuchten US-Präsident George W. Bush und sein Außenminister James Baker einen neuen Anlauf und organisierten eine Nahost-Konferenz in Madrid. Ihr folgte der Oslo-Friedensprozess 1993, bei dem sich beide Seiten immerhin erstmals zum Existenz- und Selbstbestimmungsrecht des jeweils anderen Volkes bekannten. Als es dann aber konkreter werden sollte, scheiterten das Treffen Camp David II im Jahr 2000 und die Taba-Konferenz 2001. Im Jahr 2002 wurde durch die Arabische Liga die Arabische Friedensinitiative ins Leben gerufen. Auch sie vergeblich.

Zuletzt hetzte Barack Obamas Außenminister John Kerry 2014 neun Monate lang kreuz und quer durch die Region, um einen israelisch-palästinensischen Frieden zu vermitteln und konnte die Konfliktparteien noch nicht einmal dazu bewegen, ein Dokument über die Fortsetzung der Verhandlungen zu unterzeichnen. Wenn jetzt innerhalb der US-Regierung offenbar darüber nachgedacht wird, das seit Jahrzehnten verfolgte Konzept der Zweistaatenlösung preizugeben, dann hat das auch mit dem aufgestauten Frust zu tun.

Denn in den letzten Jahren wurde deutlich, dass beide Konfliktparteien im Grunde nicht zu substanziellen Zugeständnissen bereit sind, um eine Friedenslösung zu erreichen. 2008 hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Vorschlag von Israels Premier Ehud Olmert für einen eigenen Staat abgelehnt, bei dem beinahe das gesamte Westjordanland an Palästina gegangen wäre und die Palästinenser über einen Tausch sogar ein symbolisches Teilstück israelischen Territoriums zurückerhalten hätten. Spätestens damals verfestigte sich in der israelischen Öffentlichkeit der Eindruck, mit den Palästinensern sei kein fairer Deal zu machen. Viele Israelis haben sich nach den Jahren enttäuschter Erwartungen mit dem Status Quo arrangiert, so unbefriedigend er auch sein mag. An eine umfassende Friedenslösung glaubt nur noch eine Minderheit.

Das hat auch damit zu tun, dass Palästinenserpräsident Abbas nicht mehr als starker Verhandlungspartner gilt, mit dem Kompromisse bei den vielen anderen Streitfragen möglich wären, die es neben der Landfrage zu klären gibt. Darunter insbesondere der Status von Jerusalem (die Palästinenser verlangen den Ostteil als ihre Hauptstadt) und die Forderung nach einem Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, die bei der Staatsgründung Israels ihre Heimat verlassen haben, sowie ihrer Nachkommen. Dabei geht es je nach Zählung um 6,5 bis acht Millionen Menschen, was in etwa der heutigen Einwohnerzahl von Israel entspricht. Ihre Rückkehr ist also utopisch, dennoch täte sich Abbas schwer, diese seit Jahrzehnten erhobene Forderung fallenzulassen. Ihm sitzen die Scharfmacher aus den eigenen Reihen im Nacken, besonders die im Gazastreifen regierende islamistische Hamas, die weiterhin die Auslöschung Israels fordert. Mit Jahia Sinwar ist soeben ein besonders radikaler Israel-Hasser an die Spitze der Organisation getreten.

Aber auch in Israel sind die Hardliner, die keinerlei Zugeständnisse an die Palästinenser wollen, seit Jahren auf dem Vormarsch. Sie fordern die Annexion von etwa zwei Dritteln des Westjordanlands. Faktisch sind sie diesem Ziel schon ziemlich nahe, denn immer mehr Siedlungen in den besetzten Gebieten betonieren den Weg zu einem lebensfähigen Palästinenserstaat zu. Aber ist eine Abkehr von der Zweistaatenlösung, die Israels Rechte immer lauter fordert und über die jetzt in Washington orakelt wird, wirklich in Israels Interesse? "Die Siedlungen werden eine Zweistaatenlösung unmöglich machen, sie unterminieren Israel als jüdischen und als demokratischen Staat", warnte ein amerikanischer Dreisterne-General 2013 auf einer Sicherheitskonferenz. Der Mann heißt James Mattis und ist heute US-Verteidigungsminister.

(RP)
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