Persönlich Gregor Gysi . . . wird Ritter in Aachen

Sicher wird er morgen in Aachen den Saal rocken und Montag ein Millionen-TV-Publikum. Gregor Gysi bleibt ein Phänomen. Gerade mal ein Jahr hielt er es nach dem Rückzug vom Amt des Linken-Fraktionschefs ohne Spitzenposition aus, dann ließ er sich im Dezember zum Chef der europäischen Linken wählen, will nun nicht mehr nur Deutschland, sondern ganz Europa retten. In der Domstadt, wo der europäische Karlspreis zu Hause ist, kann er sich dafür nun besonders rüsten: Gysi wird Ritter des Ordens wider den tierischen Ernst.

Im westdeutschen Bürgertum hätte sich sicherlich niemand vorstellen können, ihn zum Leitbild des Karnevals zu küren, als Gysi im Herbst 1989 als neuer SED-Chef den Umbau von Staat und Partei mit in die Hand nahm. Wie intensiv sein Umgang mit der Stasi war, ist über Jahrzehnte Anlass für politischen Streit und juristische Verfahren gewesen. Gysi zog seine Linie durch, dass der Nachweis, er habe als "IM Notar" gespitzelt, sich nicht beweisen lasse, weil es niemals so gewesen sei.

Bürgerliche Kapitalismusfreunde hielten die Vorwürfe nie davon ab, ihn als ihren Lieblingssozialisten in Beschlag zu nehmen, so oft er sich auf Podien präsentierte. Gysi ist eine "Rampensau" mit herausragendem rhetorischen Talent, das er in zahlreichen erstklassigen Bundestagsreden und mindestens so vielen Talkshows bewies.

Dass die Linke nicht ausstarb, sondern nun ernsthaft als Teil einer möglichen rot-rot-grünen Regierung gehandelt wird, ist auch sein Verdienst. Für ihn war, ist und bleibt ein solches Machtbündnis "historisch notwendig". Und dann will er das aus der Nähe erleben: Er hat sich entschieden, im Herbst erneut für den Bundestag zu kandidieren.

Stolz ist er noch heute, im Abitur sportlich die "Rolle rückwärts in den Handstand" absolviert zu haben. Das wird er mit 68 Jahren in Aachen als Ritter rhetorisch garantiert wieder hinkriegen. Tierisch gut und mit ironischem Ernst.

(RP)
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