Analyse Die Griechen-Rettung ist alternativlos

Berlin · Das Schuldendrama in Athen spitzt sich auf die Frage zu, ob sich die Euro-Gruppe einen Austritt aus der Euro-Zone leisten kann. Ein "Grexit" hätte außenpolitische Verwerfungen zur Folge. Die Zeichen stehen noch auf Rettung der Griechen.

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise
Infos

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise

Infos
Foto: dapd, Michael Gottschalk

Es gibt Begriffe, die Politiker tunlichst vermeiden. Sie achten dann sogar darauf, in der Antwort auf eine Frage den Ausdruck nicht zu wiederholen, wenn der Fragesteller ihn nutzt. "Grexit" - der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro - stand als Begriff lange auf dieser Liste. Die Europäer wollen Griechenland immer noch im Euro halten, über den "Grexit" sprechen sie mittlerweile auch.

Aber sie führen dabei einen Eiertanz auf. Das wurde erst gestern in einem Interview deutlich, das die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gab. Nach einer vorab verbreiteten Meldung sagte Lagarde dem Blatt: "Der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ist eine Möglichkeit." Dann bekam die schneidige Französin wohl doch ein wenig kalte Füße und sorgte dafür, dass in der Mehrzahl der gedruckten Ausgaben und der Online-Version ihr Zitat abgeschwächt wurde: "Niemand wünscht den Europäern einen ,Grexit'", hieß es wenig später.

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
11 Bilder

Das ist Alexis Tsipras

11 Bilder
Foto: dpa, sp ase tba

Verbleib oder Austritt - der Preis ist hoch

Der Satz bedeutet immer noch, dass der Austritt Griechenlands möglich ist, Lagarde sagt es aber nicht mehr so klar. Das Ringen um die richtigen Begriffe für die griechische Tragödie offenbarten das Dilemma der Europäer: Für beide Möglichkeiten - also sowohl für den Verbleib als auch für den Austritt der Griechen aus dem Euro - muss Europa einen hohen Preis zahlen.

In vielen europäischen Ländern machen die Menschen schon heute die Faust in der Tasche, wenn es um Griechenland geht. Was haben die Osteuropäer und die baltischen Staaten sparen und reformieren müssen, um überhaupt in den Club der EU aufgenommen zu werden. Auch die Euro-Länder Spanien, Irland und Portugal mussten schmerzliche Prozesse im Dienste der Finanzstabilität durchleiden. Wenn die Euro-Gruppe den Griechen nun Zugeständnis um Zugeständnis macht, wird der Reformeifer in den anderen Krisen-Staaten erheblich nachlassen.

Einen Vorgeschmack, was dann passiert, lieferten in der vergangenen Woche die spanischen Kommunalwahlen, bei denen die linken Populisten Erfolge erreichten. Im Herbst stehen dort die Parlamentswahlen an. Der konservative Premier Mariano Rajoy galt bislang als Garant für den finanzpolitisch soliden Kurs des Landes. Je erfolgreicher die Griechen mit ihrem revolutionären Kurs gegen die europäische Austeritätspolitik sind, desto größer auch die Verlockung für die Spanier, ihre Linkspopulisten an die Macht zu wählen.

Frage des griechischen Euro ist nicht nur eine europäische

Für die Euro-Gruppe heißt das, dass sie nicht nur aus finanziellen Erwägungen gegenüber den Griechen bei ihrem konsequenten Kurs bleiben muss - und der beinhaltet nun einmal das Risiko des "Grexit".

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat schon mehrfach angedeutet, dass es dazu kommen kann. Während Schäuble insbesondere die Stabilität des Euro im Blick hat, schaut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch auf die außen- und geopolitischen Folgen eines möglichen Austritts der Griechen aus dem Euro.

In der Russland- und Ukraine-Politik muss Europa an einem Strang ziehen. Ein zahlungsunfähiges Griechenland, in dem das Staatswesen nach einem Euro-Austritt zerfällt, wäre für Europa kein verlässlicher Partner mehr - auch nicht innerhalb des Verteidigungsbündnisses Nato. Und damit ist die Frage des griechischen Euro eben nicht nur eine europäische.

USA sieht Deutschland in der Pflicht

Insbesondere aus Sicht der Amerikaner würde Europa Schwäche zeigen, wenn es nicht in der Lage wäre, eine so kleine Volkswirtschaft wie Griechenland im Euro zu halten. Die USA sehen vor allem das starke Deutschland in der Pflicht, die Probleme mit den Griechen zu regeln. Kanzlerin Merkel weiß das natürlich und hat aus ähnlichen Erwägungen ein hohes Interesse, die Griechen im Euro zu halten. Dies machte sie auch im Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras Ende März in Berlin deutlich.

Porträt: Bilder aus dem Leben von Wolfgang Schäuble​
20 Bilder

Bilder aus dem Leben von Wolfgang Schäuble

20 Bilder
Foto: dpa/Gregor Fischer

"Ökonomisch wäre ein ,Grexit' verkraftbar", sagt der Haushaltspolitiker der Union, Eckhardt Rehberg. Der Rettungsschirm ESM und die Europäische Zentralbank (EZB) verfügten über die notwendigen Instrumente, um notfalls andere Euro-Länder zu schützen. Dennoch würde ein "Grexit" für die Europäer sehr teuer. Euro-Staaten und die EZB verlören nicht nur einen Großteil der mehr als 240 Milliarden Euro, die sie Griechenland seit 2010 geliehen haben.

Auch nach dem Euro-Austritt müsste die EU Griechenland finanziell stabilisieren, um dort soziale Not zu lindern und die öffentliche Sicherheit sowie die Sicherung der EU-Außengrenzen zu gewährleisten. "Jeder, der über den ,Grexit' redet, weiß auch, dass wir das griechische Volk hinterher nicht alleine lassen können. Griechenland würde auch dann weiter finanzielle Hilfe benötigen", sagt Rehberg.

Lagarde: "Griechen brauchen Luft zum Atmen"

Die Zeichen stehen noch auf Rettung der Griechen. Dies wird aber nur innerhalb der Euro-Gruppe gelingen. IWF-Chefin Lagarde will in jedem Fall die nächste fällige Rate der Griechen sehen: "Ich fände es einfach unglaublich, wenn ein hochentwickelter Staat wie Griechenland die internationale Gemeinschaft einschließlich solcher Länder wie Mali oder Niger durch einen Zahlungsausfall belasten würde", sagte sie und wies den Euro-Ländern einen Weg auf: Die Europäer und die EZB "können den Griechen, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind, vielleicht etwas Luft zum Atmen geben".

Dies könnte darauf hinauslaufen, dass die Europäer den Griechen in einer kleinen Übergangslösung mit einer Finanzspritze helfen, die fälligen IWF-Raten im Juni zu bezahlen. Dadurch hätte man etwas mehr Zeit für den großen Deal über ein Reformpaket und weitere Kredite. Vielleicht wäre diese Notoperation Europas ein letzter Ausweg, denn allen läuft die Zeit davon.

(mar / qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort