Berlin Groko hängt am seidenen Faden

Berlin · Tiefe Gräben gibt es zwischen Union und SPD in der Finanz- und Sozialpolitik.

Die Chancen für eine Neuauflage der großen Koalition sind wegen erbitterter Auseinandersetzungen von Union und SPD um die Finanz-, die Sozial- und die Asylpolitik ungewiss. Auch in ihrer Schlussrunde der Sondierungen konnten die Unterhändler gestern bis zum Abend keine Kompromisse zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen schließen, wofür die SPD die Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent und mehr Reichensteuer fordert. Zwar soll die CDU Zugeständnisse signalisiert haben, die CSU aber hart geblieben sein.

Der CDU-Wirtschaftsrat warnte die Union vor einem Imageschaden. "In Zeiten von Rekordsteuereinnahmen ist jedwede Steuererhöhung das völlig falsche Signal", sagte der Generalsekretär des Verbandes, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. "In den Köpfen ihrer Wähler bliebe das als großer Schaden der Union bei den Groko-Verhandlungen hängen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermahnte CDU, CSU und SPD, sie seien nicht nur der eigenen politischen Zukunft verpflichtet. Sie hätten auch große Verantwortung für Europa und die internationale Politik, sagte der Präsident beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz versicherten, dass sie konstruktiv verhandeln. Beide sprachen aber von einer sehr schweren Aufgabe. Ein Scheitern wurde gestern in Parteikreisen nicht ausgeschlossen. Die von der SPD geforderte Bürgerversicherung wollte die Union nicht akzeptieren, hieß es. Die CSU bestand auf ihrer Anhebung der Mütterrente, die allein jährlich sechs Milliarden Euro kosten würde. Die Unterhändler waren damit beschäftigt, die Wunschliste der drei Parteien, die sich auf 100 Milliarden Euro summierte, auf die voraussichtlich zur Verfügung stehenden 45 Milliarden Euro zusammenzustreichen.

Zu Misstrauen führte, dass der vereinbarte Vertrauenskodex, wonach die Fachgruppen keine Inhalte an Journalisten weitergeben durften, gebrochen wurde. Drei Papiere gelangten in die Öffentlichkeit, wobei es hieß, die Aufgabe des nationalen Klimaschutzziels bis 2020 sei die schlechteste Botschaft gleich zu Beginn gewesen. Obendrein sei diese Formulierung unklug gewesen.

(RP)
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