Nikosia Große Hoffnungen auf Zypern

Nikosia · Am Montag beginnen neue Gespräche über die Wiedervereinigung der Insel.

Es ist vielleicht nicht die beste Jahreszeit für einen Besuch am Genfer See: Die Meteorologen prognostizieren Schneeregen. Aber Nikos Anastasiades und Mustafa Akinci reisen auch nicht der Aussicht wegen in den Ferienort Mont Pèlerin am Nordostufer des Sees. Am Montag wollen der griechisch-zyprische Präsident und der Führer der türkischen Volksgruppe dort in eine fünftägige Klausur gehen. Damit erreichen die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der Insel die entscheidende Phase - was auch daran abzulesen ist, dass Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon persönlich die Konferenz eröffnet.

Die EU beobachtet die Bemühungen mit großer Aufmerksamkeit. Eine Lösung wäre "ein Durchbruch" für Europa, meint die Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die Insel, auf der Großbritannien zwei Militärbasen unterhält, gilt als "unsinkbarer Flugzeugträger" an der Schwelle zum krisengeschüttelten Nahen Osten. Es gibt bereits Gedankenspiele zum Nato-Beitritt eines wiedervereinigten Zypern.

Zypern ist seit 1974 geteilt. Damals besetzte die Türkei den Norden der Insel, um die geplante Annexion durch die Athener Obristenjunta und die befürchtete Vertreibung der Türken zu verhindern, die ein Fünftel der Inselbevölkerung ausmachen. International anerkannt ist die von Griechen bewohnte Republik Zypern im Süden, die 2004 der EU beitrat. Die "Türkische Republik Nordzypern" wird dagegen nur von Ankara anerkannt.

Seit Mai 2015 verhandeln Anastasiades und Akinci über eine politische Lösung. Mit dem 70-jährigen konservativen Anastasiades und dem zwei Jahre jüngeren Sozialdemokraten Akinci sprechen zwei Polit-Veteranen miteinander. Wichtiger noch: Erstmals sitzen sich jetzt zwei erklärte Einigungsbefürworter gegenüber. Anastasiades und Akinci achten und vertrauen einander. Eine so günstige Konstellation hat es seit 1974 noch nie gegeben.

Ziel ist eine Föderation mit weitgehender Selbstverwaltung der beiden Volksgruppen - also keine "Wiedervereinigung" im echten Sinne des Wortes. In den bisherigen Verhandlungen sei man "weiter gekommen als je zuvor", sagt der Zypern-Sonderbeauftragte der Uno, Espen Barth Eide. In der Schweiz geht es ab Montag vor allem um den Verlauf der innerzyprischen Grenze. Die Inselgriechen hoffen auf die Rückgabe einiger von den Türken besetzter Gebiete.

Ein endgültiges Friedensabkommen sei allerdings nicht zu erwarten, sagt Eide. Optimisten halten es für möglich, dass am Genfer See die Weichen für eine Einigung noch in diesem Jahr gestellt werden; Skeptiker verweisen hingegen auf die noch ungelösten Streitpunkte. Dazu gehören vor allem Sicherheitsfragen und ein Zeitplan für den Rückzug der über 30.000 türkischen Besatzungssoldaten. Die Zyperntürken und die Regierung in Ankara fordern, die Türkei müsse auch in Zukunft Garantiemacht sein. Das lehnen die griechischen Zyprer ab.

Eine Vereinigung könnte einen wirtschaftlichen Schub auslösen -Ökonomen erwarten eine "Friedensdividende". Der Wirtschaftsprofessor Alexander Apostolides sagt einem vereinigten Zypern ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 4,5 Prozent für die nächsten 20 Jahre voraus - gegenüber lediglich 1,6 Prozent, wenn es bei der Teilung bleibt.

Selbst wenn sich Anastasiades und Akinci in den Verhandlungen einigen, müssen beide Volksgruppen allerdings noch in getrennten Referenden zustimmen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Hürde. 2004 lehnten die Inselgriechen den Einigungsplan des damaligen Uno-Generalsekretärs Kofi Annan mit großer Mehrheit ab.

(RP)
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