Berlin Grüne vertagen Korrektur ihrer Steuererhöhungspläne

Berlin · Die kleinste Oppositionspartei fürchtet um ihren Zusammenhalt. Eine zu schnelle Umorientierung könnte die linke Basis verprellen.

Die Grünen schieben eine steuerpolitische Kurskorrektur auch acht Monate nach der für sie enttäuschenden Bundestagswahl auf die lange Bank: Erst im Jahr 2015 wollen sie über die am meisten umstrittenen Steuererhöhungspläne im Parteiprogramm debattieren.

Ob sie etwa weiterhin an der Erhöhung der Erbschaftsteuer und der gleichzeitigen Einführung einer Vermögensteuer festhalten und ob sie den Steuervorteil des Ehegattensplittings deutlich bereits für Paare mit mittleren Einkommen abschmelzen wollen - beides soll nach der Festlegung der Partei- und Fraktionsspitzen erst im Jahr 2015 zur Sprache kommen.

Wie schon vor der Europawahl hoffen die Grünen, auch die im August und September anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ohne steuerpolitische Korrektur zu überstehen. Bei der Europawahl hatten die Grünen 10,7 Prozent erreicht. Die Partei bewertete das nach dem Bundestagswahlergebnis von nur 8,4 Prozent als großen Erfolg. "Das Tief aus der Bundestagswahl ist überwunden", sagte Parteichefin Simone Peter am Wochenende auf einem kleinen Parteitag in Berlin.

Peter warnte ihre Partei vor unabgestimmten Vorstößen. Über die künftige Finanz- und Wirtschaftspolitik der Grünen müsse in Ruhe debattiert werden. "Wir wollen zur Finanzpolitik eine geordnete, nach vorne gerichtete Debatte führen", sagte die Grünen-Chefin. Intern solle heftig gestritten werden. Aber es dürfe keine Schnellschüsse über Medien geben wie vereinzelt kurz vor der Europawahl, kritisierte Peter. Die Wirtschaftsexpertin der Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae, hatte Anfang April ein Umdenken der Grünen in der Steuerpolitik gefordert und damit heftigen Widerspruch vom linken Flügel der Partei sowie von führenden "Realos" kassiert.

Co-Parteichef Cem Özdemir, der ebenfalls dem "Realo"-Flügel angehört, erklärte in Berlin, nach dem schwachen Abschneiden bei der Bundestagswahl werde das Thema Steuern sicher nicht wieder dominierendes Thema der Grünen in Wahlkämpfen sein: "Wir werden gewählt, wenn wir die Kernkompetenzen in den Mittelpunkt stellen." Dies sei das Jahrhundertthema Ökologie. "Da sind wir unverwechselbar." Özdemir wies auch Kritik an der neuen Fraktionsspitze zurück: Die sei im Bundestag die eigentliche Oppositionsführerin, auch wenn sie dort nicht Lautsprecher sei.

Die Partei startete eine Programmdebatte über vergleichsweise harmlose Themen: Es geht ihr nun vor allem um die Neufassung des "Freiheitsbegriffs", das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie, die Armutsbekämpfung sowie um Ernährung, Gentechnik und eine Agrarwende. Die Grünen streben für 2017 auch auf Bundesebene wieder eine Regierungsbeteiligung an.

(mar)
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