Düsseldorf Grüner nennt Steinbrück "Reserverad"

Düsseldorf · Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Reiner Priggen, hält den früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nicht für den geeigneten Kanzlerkandidaten der SPD. Peer Steinbrück sei unzuverlässig, sagt er. Jetzt werden alte Wunden aufgerissen.

Reiner Priggen ist der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Düsseldorfer Landtag. Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Norbert Römer bildet er eine wichtige rot-grüne Achse. Priggen wird für seinen meist unaufgeregten, analytischen Stil über die Parteigrenzen hinaus geschätzt. Jetzt hat sich der gelernte Maschinenbau-Ingenieur in die Diskussion um die Frage eingeschaltet, wer 2013 Kanzlerkandidat der SPD werden soll.

Wäre Peer Steinbrück ein aussichtsreicher Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU)? Priggen riet im Gespräch mit unserer Zeitung davon ab. "Wer die Wahl gewinnen will, braucht einen guten Antriebsreifen", sagt er. "Steinbrück wäre nur ein Reserverad."

Damit bezieht der Grüne die Gegenposition zu Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). Der Hamburger macht sich für eine Kandidatur Steinbrücks stark. Priggen hält den früheren NRW-Ministerpräsidenten hingegen für ungeeignet. "Er hält sich nicht an Absprachen und hat sich nicht unter Kontrolle", behauptet der Grüne. In der rot-grünen Koalition in NRW unter Führung von Steinbrück (2002–2005) habe er keine guten Erfahrungen mit dem Ministerpräsidenten gemacht.

Priggen erinnert sich an die damalige Diskussion um die Steinkohlefinanzierung. Es sei vereinbart gewesen, dass sich Steinbrück bei Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für eine Entlastung des Landes in Höhe von 40 Millionen Euro einsetzen sollte. "Steinbrück hat seine Zusage damals nicht eingelöst", kritisiert Priggen.

Auch im persönlichen Umgang habe Steinbrück die Grünen mitunter enttäuscht. So habe er die Grünen-Politikerin Barbara Steffens aus einer Sitzung des Koalitionsausschusses verbannt, weil diese ihren damals zwei Monate alten Sohn mitgebracht hatte – ein Affront, den die Grünen nicht vergessen haben, auch wenn der Regierungschef Steffens später Blumen schickte. Die bei öffentlichen Auftritten kultivierte hanseatische Art Steinbrücks hält Priggen für inszeniert: "Das ist doch Ohnsorg-Theater. Ich halte das für nicht seriös."

Zoff mit Steinbrück hatten die Grünen bereits, als der SPD-Politiker noch NRW-Finanzminister unter Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) war. Steinbrück warf der damaligen grünen Umweltministerin Bärbel Höhn vor, sie lasse mit Blick auf den nächsten Landeshaushalt keine ausreichenden Sparanstrengungen erkennen. Höhn konterte genervt: "Ich habe 26 Millionen Euro Kürzung angeboten wie andere Ministerien auch." Darauf blaffte Steinbrück sie an: "Natürlich haben Sie etwas angeboten. Ich habe Ihre Vorschläge aber nicht akzeptiert."

Dieses Wortgefecht ist typisch für das damals gespannte Verhältnis von SPD und Grünen, die ihr eigenes Ding zu machen versuchten. Die Anläufe Bärbel Höhns, das Braunkohleprojekt Garzweiler II durch Verfahrenstricks zu blockieren, sind Legion. Umgekehrt hat die SPD den Grünen immer wieder deutlich gemacht, wer in der Koalition Koch war und wer Kellner.

Auch die damalige Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Sylvia Löhrmann, hatte mit Finanzminister Steinbrück (2000–2002) ihre liebe Not. Der sozialdemokratische Minister pochte zur Sanierung seines Landeshaushalts auf Studiengebühren, doch die Grünen mauerten. Sie lasse sich nicht verbieten, berechtigte Bedenken dagegen vorzutragen, stellte Löhrmann klar.

Der Metrorapid war ein weiterer dicker Zankapfel. Nach Clements Vorstellungen sollte die milliardenschwere Magnetbahn zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zwischen Köln und Dortmund verkehren. Auch Steinbrück hielt das Projekt für eine lohnende Investition, während die Grünen zunehmend auf Distanz gingen.

Bei seiner Regierungsübernahme 2002 sicherte Steinbrück zu, seine Tonart gegenüber den Grünen zu mäßigen und Rot-Grün bis 2005 fortzuführen. Doch die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern wurde immer schlechter. Spekulationen über ein vorzeitiges Ende des rot-grünen Bündnisses machten die Runde.

Im Interview mit unserer Zeitung sagte Steinbrück im Mai 2003 mit drohendem Unterton an die Adresse der Grünen: "Alles, was behindert, was sich wie Mehltau über die Landschaft legt, was nach Bremsklötzen riecht, kann sich diese Koalition nicht leisten." Die Koalitionskrise zog sich über Monate hin, das negative Grundrauschen verebbte nicht. 2005 schließlich hätte Steinbrück die Streit-Koalition gern zugunsten eines Regierungsbündnisses mit der Union platzen lassen – doch da wurde er von seinen Berliner Genossen ausgebremst. Wenig später verlor Rot-Grün die Landtagswahl.

(RP)
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