Berlin Guttenberg kämpft sich zurück

Berlin · Der ehemalige Bundesverteidigungsminister bezeichnet seine in weiten Teilen abgeschriebene Doktorarbeit in einem Interview als größte Dummheit seines Lebens. Betrug oder Vorsatz habe es aber nie gegeben. Der CSU-Politiker will die öffentliche Rehabilitation.

Perfektes Timing, gute Inszenierung: Karl-Theodor zu Guttenberg hat offenbar wenig verlernt. Der wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit im März als Verteidigungsminister zurückgetretene einstige CSU-Volksliebling stürmt mit einer regelrechten Imagekampagne zurück ins Rampenlicht.

Nach einem ersten öffentlichen Auftritt bei einer Sicherheitskonferenz im kanadischen Halifax mit neuer Frisur und Kontaktlinsen beantwortet Guttenberg nun in einem als Buch erscheinenden Interview mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ("Vorerst gescheitert", Herder-Verlag) Fragen zu Schuld und Sühne nach seiner Plagiatsaffäre. Dass die Staatsanwaltschaft Hof fast gleichzeitig das Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen gegen eine Zahlung von 20 000 Euro an die Kinderkrebshilfe eingestellt hat, wirkt drehbuchreif. Also alles bereit für das große Comeback?

Guttenberg scheint fest gewillt, es zu versuchen. In nahezu jeder der vorab veröffentlichten Äußerungen lässt sich sein Wunsch nach öffentlicher Rehabilitation erkennen. Der noch vor einem Jahr als Reserve-Kanzler gefeierte CSU-Mann legt Wert darauf, dass Absicht oder gar Täuschung bei seiner von der Universität Bayreuth als Plagiat bewerteten Dissertation nicht vorgelegen hätten.

Das Abschreiben sei "das fatale Ergebnis einer chaotischen und ungeordneten Arbeitsweise", sagt Guttenberg. Auf 80 Datenträgern habe er Material für seine Doktorarbeit gesammelt, berichtet der CSU-Politiker, der zwischen 1999 und 2006 an einer Dissertation über die europäische Verfassung arbeitete. "Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler." Guttenberg will als schludriger und überforderter Doktorand, nicht aber als Betrüger dastehen.

Dass er von Journalisten, Schriftstellern, Wissenschaftlern des Bundestages und sogar seinem Doktorvater kopiert und abgeschrieben hat, schlicht fremdes geistiges Eigentum als seines deklariert hat, gibt er so offen nicht zu. Er sei früh in das Familienunternehmen eingespannt gewesen und habe sich in der Politik engagiert, gibt er, wie vor Monaten bei seiner Rücktritts-Pressekonferenz, als Entschuldigung an. Wie so oft spricht der Freiherr aus dem Frankenland über sich in der dritten Person.

Vom "Zeit"-Chefredakteur darauf angesprochen mit der Frage, warum es so schwer sei, einfach zu sagen: "Ich bitte um Entschuldigung", entgegnet Guttenberg: "Faktisch ist das ein Ich." Es sei eben ein anerzogener Sprachgebrauch. "Tatsächlich bedauere ich. Tatsächlich bin ich verantwortlich."

Doch nach diesem Moment der Reue fällt Guttenberg in das bekannte Muster der Selbstverteidigung, des Weichzeichnens, zurück. Dass Guttenberg Textpassagen übernommen und wie zum Verwischen von Spuren minimal verändert hat, sei der "Schlussredaktion" geschuldet. Und: "Wenn ich geschickt hätte täuschen wollen, hätte ich es vermieden, Textstellen so plump und so töricht in diese Arbeit zu übernehmen."

Dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, vor zehn Jahren geringer war als heute, weiß wohl auch Guttenberg. Immerhin ist er bei dem Vorwurf, er habe die Arbeit nicht selbst geschrieben, deutlich: "Ich habe den Blödsinn wirklich selbst verfasst."

Guttenberg legt sein eigenes Fazit der Affäre der Gesellschaft vor und empfiehlt es zur Annahme. Demnach ist da ein junger Mann mit besonderer Begabung, der kein Charakterproblem hat, sondern in einer stressigen Lebensphase schlicht überfordert war. Ob den Wählern, aber auch politischen Freunden, die ihm den Weg zurück mit Mandaten und Listenplätzen ebnen müssten, diese Erklärung ausreicht, wird die spannende Frage sein. Dass Guttenberg zurück will, daran gibt es keinen Zweifel: "Deutschland ist meine Heimat. Ich bin viel zu verliebt in diese Heimat, als dass ich ihr einfach so den Rücken kehren könnte."

Nur ist die Erinnerung daran, dass da ein Politiker, der gerne von Rechtschaffenheit gesprochen hat, laut Abschlussbilanz der Plagiatssucher in seiner Doktorarbeit auf 94 Prozent der Seiten Plagiate verwendet hat, noch frisch. Der CSU-Politiker ahnt es selbst im Interview: "Mit der Erklärung, die ich abgegeben habe und die für viele holprig klingen mag, mache ich es mir sicherlich schwerer."

Internet Chronik: Politiker und ihre Affären unter www.rp-online.de/politik

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort