Düsseldorf Hannelore Kraft umgarnt die Wirtschaft

Düsseldorf · Das Klimaschutzgesetz soll abgeschwächt werden, das Tariftreue-Gesetz ebenfalls. Nun droht Streit im Kabinett mit den Grünen.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will den Schwerpunkt ihrer Politik dieses Jahr auf die Stärkung des Wirtschaftsstandorts NRW legen und dafür zentrale rot-grüne Regierungsvorhaben auf den Prüfstand stellen. Der Konflikt mit den Grünen ist programmiert. Die SPD-Regierungschefin hat nach Informationen unserer Zeitung aus Regierungskreisen in drei internen Sitzungen im Dezember die SPD-Minister in ihrem Kabinett auf eine wirtschaftsfreundliche Politik eingeschworen und alle Ressorts um Vorschläge und Projekte zur Förderung der digitalen Wirtschaft gebeten.

Das in der Wirtschaft heftig kritisierte Klimaschutzgesetz soll ganz oder in seiner Umsetzung auf den Prüfstand gestellt werden - dabei ist es ein Herzensanliegen des grünen Umweltministers Johannes Remmel. Das deutschlandweit einmalige Gesetz verpflichtet Nordrhein-Westfalen zu einer Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes bis 2020 um 25 Prozent. Weil NRW aber nicht alleine das Weltklima retten kann, bringen die ambitionierten Ziele in der Gesamt-Ökobilanz wenig.

Auch das Tariftreue- und Vertragsgesetz, das zu viel Bürokratie bei Unternehmen führt, die sich um öffentliche Aufträge bemühen, soll reformiert werden. Sogar von einer Rücknahme des 2012 beschlossenen rot-grünen Gesetzes ist die Rede. Und: Der Landesentwicklungsplan, so etwas wie der Masterplan des Landes für die räumliche Entwicklung in den nächsten zehn Jahren, soll wirtschaftsfreundlicher ausfallen. In der Staatskanzlei wird derzeit ein Entwurf erarbeitet, der Gewerbeflächen und Infrastrukturanbindung Wiesen, Wäldern, Flora und Fauna vorzieht.

Mit dem Kursschwenk deuten sich nun Konflikte mit den Grünen als Minderheitspartner in der Regierung an. "Zu solchen Gerüchten äußern wir uns nicht", spielt ein Sprecher des Umweltministeriums den drohenden Streit herunter.

Druck von einer anderen Seite macht Christian Lindner als NRW- und Bundeschef der FDP - ihm wären nur kleine Korrekturen am rot-grünen Kurs zu wenig: "Das Tariftreuegesetz gehört nicht reformiert, sondern ganz abgeschafft. Beim Wechsel hin zu einer wirklich marktwirtschaftlichen Politik muss noch viel mehr geschehen, als beispielsweise das Klimaschutzgesetz zu stoppen."

Mit dem Kursschwenk reagiert die NRW-Regierungschefin wohl auch auf die Bemühungen des CDU-Landesvorsitzenden Armin Laschet, als Anwalt der wirtschaftlichen Interessen wahrgenommen zu werden. Laschet hatte der Landesregierung in der Haushaltsdebatte im Dezember vorgeworfen, deren Finanz- und Wirtschaftspolitik hemme das Wachstum und bremse die Unternehmen mit einer Flut von Maßnahmen und Verordnungen.

Laschet tingelt derzeit durch die Unternehmen und Industrieverbände an Rhein und Ruhr, um Verbündete für seine Politik zu finden. Dass die Wirtschaftskompetenz in einem Bundesland, das vehement vom Strukturwandel betroffen ist und zuletzt vor allem mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht hat (Opel, Eon, Daimler in Düsseldorf), mitentscheidend für einen Wahlerfolg 2017 sein dürfte, ist parteiübergreifend Konsens.

Die SPD will überdies ihr Katastrophenjahr 2014 vergessen machen. Krafts Kabinett war durch die skandalösen Vorgänge in den NRW-Flüchtlingsheimen und das selbstherrliche Auftreten ihres Innenministers Ralf Jäger nach den Hooligan-Krawallen in Köln in schweres Fahrwasser geraten. Für ihre Finanzpolitik - trotz Rekordsteuereinnahmen und robuster Konjunktur will NRW dieses Jahr knapp zwei Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen - wird Hannelore Kraft scharf kritisiert. Die Opposition, aber auch der Steuerzahlerbund und Ökonomen halten der NRW-Regierung eine ambitionslose Finanzpolitik vor, die nur auf zusätzliche Einnahmen setzt. Auch bei den Grünen steigt die Unruhe wegen der Schulden.

Im Streit um einen neuen Länderfinanzausgleich verlangt Rot-Grün mehr Geld vom Bund und anderen Ländern, gleichzeitig hat die Regierung Ende 2014 überraschend eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 5,0 auf 6,5 Prozent umgesetzt, die angesichts der Bemühungen der Bundes-SPD für bezahlbaren Wohnraum selbst in der SPD Kopfschütteln auslöste. Der Landesverfassungsgerichtshof kippte 2014 auch Krafts geplante Nullrunde für höhere Beamte.

2015 soll nun alles besser werden. Kraft gibt sich intern wieder voller Tatendrang und will bei ihrer traditionellen Jahresauftakt-Pressekonferenz kommende Woche neue Projekte ankündigen. Dass ihre Politik den Standort NRW (und damit Arbeitsplätze und Wohlstand) gefährdet, will sie sich jedenfalls nicht nachsagen lassen. Ob sich der neue Kurs auszahlen wird, dürfte aber erst im Mai 2017 entschieden werden. Dann findet die nächste Landtagswahl statt.

(RP)
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